MRI einer Person mit Musikexpertise, die versucht einen Ton zu erkennen. Man erkennt spezifische Regionen der Hörrinde, die während der Aufgabe stärker durchblutet werden. | Foto: J. Benner et al. (2023)

Wer über ein absolutes Gehör verfügt, kann die Höhe eines Tons zuverlässig bestimmen – scheinbar ohne nachzudenken und ohne Referenz. Dies kommt besonders Musikerinnen zugute. In der Gesamtbevölkerung besitzt nur jeder Zehntausendste diese aussergewöhn­liche Fähigkeit. Eine neue Studie zeigt nun, dass Personen mit absolutem Gehör schneller Töne verarbeiten.

Töne lösen in der Hörrinde des Gehirns einen elektrischen Impuls aus. Die Untersuchung ergab, dass dieser bei Personen mit absolutem Gehör rascher weitergeleitet wird − in der rechten Hirnhälfte sogar noch speditiver als in der linken. Die Unterschiede liegen in einem Bereich von Millisekunden. «Wir konnten zeigen, dass die Signalverarbeitung schon auf der frühen sensorischen Stufe anders funktioniert und nicht nur auf der kognitiven, welche dem Ton einen Namen zuweist», sagt Maria Blatow, leitende Ärztin für Neuroradiologie am Kantonsspital Luzern.

«Das absolute Gehör wird auch trainiert, bei jenen mit Veranlagung eher als bei jenen ohne.»Maria Blatow

Um sowohl die räumliche als auch die zeitliche Abfolge der Signalverarbeitung in der Hörrinde mit hoher Genauigkeit zu erfassen, haben die Forschenden erstmals zwei Methoden zur Messung der Gehirnaktivität kombiniert, welche die Durchblutung und magnetische Signale erfassten. An der Studie nahmen 40 Musikerinnen teil, davon 17 mit absolutem Gehör. Der Fokus auf diese Gruppe wurde gewählt, weil deren Gehirn eine verstärkte Reaktion auf akustische Signale zeigt.

Bei Musikern ist der Anteil an Personen mit absolutem Gehör erheblich höher als in der Gesamtbevölkerung. Das liegt nicht nur daran, dass jene mit günstigen Genen eher Musikerinnen werden. Auch Übung spielt eine Rolle. «Es gibt eine genetische Veranlagung. So kann die Hörrinde schon bei der Geburt grösser sein», erklärt Blatow. «Doch das absolute Gehör wird auch trainiert, bei jenen mit Veranlagung eher als bei jenen ohne.» Die Rolle des musikalischen Trainings untersuchen die Forschenden nun in einer Folgestudie, die Musikstudierende während ihrer Ausbildung begleitet.

J. Benner et al.: Temporal hierarchy of cortical responses reflects core-belt-parabelt organization of auditory cortex in musicians. Cerebral Cortex (2023)