Experimente im Schwebezustand
Labor in Rüschlikon (ZH)

Erschütterungen, Töne, Temperaturunterschiede: Alles muss für Nanotech-Experimente auf ein Minimum reduziert werden. Die IBM hatte Glück, bloss acht Meter dick ist die Erd- und Lehmschicht unter dem Forschungszentrum in Rüschlikon, und schon stösst man auf den Nagelfluhfels. Auf diesen hat man beim Bau des Nanotechnologie-Zentrums eine vom restlichen Gebäude unabhängige Betonbasis verankert. Hier stehen sechs weltweit einzigartige Noise-Free-Labs. Oder besser: sie schweben.

Das Fundament spürt beispielsweise die nanometerkleinen Vibrationen von der Autobahn, die in gut hundert Meter Distanz vorbeiführt. Die rund 50 Tonnen schweren, auf Luftkissen gelagerten Raumsockel dagegen bleiben davon unbeeindruckt. So können hier diverse Nanotech-Experimente unter so konstanten Bedingungen durchgeführt werden wie nirgends sonst auf der Welt: elektromagnetische Strahlung wird ebenso komplett abgeschirmt wie akustischer Lärm, und selbst die Temperatur schwankt während eines laufenden Experiments nie stärker als um 0,01 Grad.

Botschaften aus der Vergangenheit
Ausgrabungen

Wenn Baumaschinen unerwartet Zeitzeugen von wissenschaftlichem Wert freilegen, wühlen sich statt ihnen Archäologinnen durch die Erde. Behutsam natürlich. Manchmal kommen die Boten aus anderen Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden auch durch Bodenerosion zum Vorschein. In beiden Fällen werden Not- und Rettungsgrabungen nötig. Mit diesen ist die Archäologie konstant ausgelastet. Und eigentlich lässt der zeitgenössische Archäologe die Funde lieber da, wo sie am besten geschützt sind und wo am meisten kontextuelle Information gespeichert ist.

Der Boden ist das beste Archiv: Nur da, wo archäologische Substanz unmittelbar bedroht ist, werden Grabungen vorgenommen. Archälogie sei sozusagen kontrollierte Zerstörung, sagt Armand Baeriswyl vom Berner Institut für Archäologische Wissenschaften.

Übrigens: laut Zivilgesetzbuch ist Archäologie in der Schweiz Kantonsangelegenheit: «Herrenlose Naturkörper oder Altertümer von wissenschaftlichem Wert sind Eigentum des Kantons, in dessen Gebiet sie gefunden worden sind.»

Corpus Delicti im Abwasser
Städtische Kanalisationen

Es ist gewissermassen das Unterbewusstsein der städtischen Existenz: das Abwassersystem. Wenn Forschende in die Kanalisation hinuntersteigen, dann spüren sie allerdings handfesteren Geschichten nach. Zum Beispiel chemischen Rückständen.

Einige Berühmtheit erlangt hat die Forschung von Christoph Ort von der Eawag in Dübendorf, dem es gelungen ist, aus kleinsten Konzentrationen in Abwässern den Drogenkonsum in diversen Städten hochzurechnen.

Ein Team aus demselben Haus um Frank Blumensaat baut derzeit bei Fehraltorf (ZH) ein urbanhydrologisches Feldlabor für den gesamten Wasserkreislauf in einer Stadt auf: Die Forschenden installieren moderne Sensorik für Niederschläge, Abflussmengen und Pegelstände, um Wasserflüsse im städtischen Raum detailliert zu modellieren.

Spielplatz für Feuerteufel
Versuchsstollen bei Flums (SG)

Bohrhämmer mühen sich am ungemein zähen Kieselkalk ab, Flugabwehrkanonen feuern ins Dunkel. Im Versuchsstollen Hagerbach in der Nähe von Flums (SG) können ungestört Dinge der etwas extremeren Art getestet werden.

Tief im Berg ist es zum Beispiel nicht so schlimm, wenn Branddetektoren und Löschsysteme ihre Macken haben, und so können dort Brandsysteme getestet werden. Wenn sie versagen, wird eben manuell gelöscht. Eigentlich wurde die Anlage vor bald fünfzig Jahren für Tunnelingenieure angelegt, als Versuchsfeld mit möglichst realistischen Bedingungen. Diese haben ihre Maschinen und Sprengstoffe so erfolgreich getestet, dass ein weitläufiges Stollensystem von vielen Kilometern Länge entstanden ist. Nun ist genug Raum vorhanden für eine Vielzahl von Forschungsvorhaben, die einerseits Diskretion, andrerseits den geologischen Puffer tief im Bauch des Bergs schätzen.

Mikrorganismen helfen bei der Lagerung von Atommüll
Stollen im Mont Terri (JU)

Dieser Berg kommt nicht zur Ruhe: Da der Mont Terri die Ajoie vom restlichen Jura abtrennt, war es nur eine Frage der Zeit, bis er von Tunnels durchstochen wurde. Schon etwas länger her für die Bahn, dann auch für die Autobahn. Weil man auch herausfand, dass der Opalinuston zu den stabilsten und undurchlässigsten geologischen Schichtungen gehört, wurde längs zum Autobahntunnel gleich noch ein Versuchsstollen angelegt. Darin wird Forschung rund um die Endlagerung von radioaktiven Abfällen durchgeführt. Dazu wird aber kein Atommüll in den Mont Terri gebracht. Die Versuche sind anderer Natur.

Unlängst hat zum Beispiel eine Jungforscherin der EPFL gezeigt, wie gefährliches Wasserstoffgas aus der Korrosion der Stahlbehälter entfernt werden könnte. Poröses Material auf der Stollenwand böte spezialisierten Mikroorganismen einen Lebensraum. Das Projekt ist eine Zusammenarbeit von mehr als einem Dutzend internationalen Partnern und wird durch Swisstopo koordiniert.

Laien entdecken Pseudoskorpione
Höhlensysteme

Finster, kalt, nass: Höhlen sind unwirtliche Lebensräume. Zumindest für Menschen. Manche Tiere hingegen fühlen sich in dieser ökologischen Nische besonders wohl. Weil die Nische aber eng und nicht besonders gut ausgeleuchtet ist, fristet auch die sogenannte Biospeläologie ein wissenschaftliches Nischendasein.

Nur wenige spezialisierte Forschende befassen sich mit den Lebensräumen unter Tage. Die Biospeläologie ist deshalb ein perfektes Beispiel für Citizen Science: Gelegentlich bringen Laien Funde mit, die dann von Spezialisten klassifiziert werden. So wurden unlängst gleich drei neue Pseudoskorpion-Arten im Hölloch (SZ), im Jura und in den Höhlen der Schrattenfluh (LU) entdeckt.

Infografik: Vollkorn

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