Fokus: Start up in den Businesshimmel
Hochschulen als Brutkästen für Jungfirmen
Vom Tüfteln im Labor bis hin zum Verkaufsargument für Kundinnen ist es ein weiter Weg. Die Hochschulen helfen bei den ersten Schritten. Einblick in die Anfänge von Schweizer Spin-offs bei ihren Heiminstitutionen.

Die zarten Spin-off-Pflänzchen müssen gehegt und gepflegt werden: Sie brauchen Fördergelder, Beratung, Kontakte zu Investoren und Räumlichkeiten für Forschung. | Foto: Lucas Ziegler
«Nirgends sonst hat man als Einzelner so viel Einfluss», sagt Betim Djambazi. Der Maschinenbauingenieur von der ETH Zürich steuert zusammen mit drei Kollegen darauf zu, ein Spin-off zu gründen. Ihr Produkt: Ein schlangenartiger Roboter namens Roboa, der durch seine Form und Fortbewegungsart an unzugängliche Orte kommt, etwa durch enge Rohrleitungen. Die Technologie dafür hat das Team vor vier Jahren im Fokus-Projekt ihres Bachelorstudiums entwickelt. «Wir wollten etwas machen, das nicht nur im Labor, sondern auch im echten Leben funktioniert», sagt Djambazi. An die Gründung eines Spin-offs hat das Team damals aber noch nicht gedacht. «Wir hatten einfach Spass daran, eine Technologie zum Laufen zu bringen, die es noch nicht gab.»
Genau so, in einem spielerischen Kontext, fange Unternehmertum häufig an, sagt Frank Floessel, Leiter eines Büros namens ETH Entrepreneurship. An der Hochschule gibt es ein eigenes Gebäude für die kreative Zusammenarbeit, das Student Project House. «Hier können Studierende und Projektteams einfach mal an einer Idee basteln und schauen, wie weit sie kommen.»
Floessels Team hat die Aufgabe, angehende Spin-offs zu unterstützen – dort, wo sie gerade Hilfe benötigen. «Zu uns kommen die Leute vielfach schon früh im Prozess, wenn sie an etwas arbeiten, von dem sie denken, dass es vielleicht wirtschaftlich interessant sein könnte», sagt Floessel. «Wir begleiten sie dann auf dem Weg, die Idee von der Wissenschaft in die Wirtschaft zu übersetzen.» Das umfasst zum Beispiel das direkte Coaching der Leute, das Vermitteln der richtigen Kurse, Workshops und Fördergeld-Wettbewerbe – je nachdem, wie weit eine Idee bereits gediehen und wie viel unternehmerisches Wissen bereits vorhanden ist.

Die Jungs von Roboa etwa haben sich als Erstes erfolgreich bei Talent Kick beworben. Dieses Programm verschafft angehenden Unternehmerinnen einen ersten kleinen Zustupf sowie ein Coaching und bringt sie mit möglichen Mitgründenden zusammen. Im Februar 2024 hat sich das Roboa-Team dann einen Pioneer Fellowship gesichert, einen sogenannten Incubator Grant, der ETH-Angehörigen vorbehalten ist. «Da geht es darum, angehenden Firmengründenden Geld und 18 Monate Zeit zu verschaffen, um über Ihrer Technologie zu brüten und sie auf eine Weise weiterzuentwickeln, dass sie einen Markt findet», sagt Floessel. Der Prozess, Technologien aus dem Labor fit für den Markt zu machen, benötigt meist ordentlich Zeit.
Viele weitere Hochschulen und Organisationen bieten Wettbewerbe um ähnliche Fördergelder für existierende und angehende Spin-offs an, etwa Venture Kick, ein Wettbewerb über mehrere Runden, der Angehörigen aller Schweizer Hochschulen offensteht. Die vielleicht wichtigste Rolle in diesem Fördersystem spielt Innosuisse. Diese Agentur des Bundes finanziert spezifisch Erkenntnisse und Technologien aus der Schweizer Forschungslandschaft, um sie zu marktfähigen Produkten zu formen – die dann Arbeitsplätze generieren und die Gesellschaft weiterbringen sollen. Floessel schätzt, dass Spin-offs, die sich in den Wettbewerben um solche Unterstützung durchsetzen, bis zu einer Million Franken Fördergeld einholen können. Der Vorteil dieser Grants: Anders als später bei der Suche nach einem Venture Capitalist, also einem grossen Investor, müssen die Gründenden für den finanziellen Zustupf keine Aktien abgeben und behalten die volle Kontrolle über ihre Firma.
Davon profitiert auch das Roboa-Team. Dank dem Pioneer Fellowship haben Betim Djambazi und seine Kollegen nun Zeit, um ihren mittlerweile dritten Prototyp nochmals weiterzuentwickeln. «Der Roboter funktioniert, das wissen wir aus unseren Tests», sagt Betim Djambazi. Allerdings bisher nur in den Händen seiner Entwickler, die die Kinderkrankheiten ihres Roboters gut kennen. «Nun wollen wir ihn so weit bringen, dass auch unsere späteren Kunden verlässlich damit arbeiten können.»
Doch es braucht nicht nur Geld, um Spin-off-Gründungen zu fördern. «Zunächst müssen wir die Forschenden ansprechen und ihnen zeigen, dass die Firmengründung ein valabler Karriereweg ist», sagt Floessel. Laut einer Befragung von 2021 unter fast 7000 Schweizer Studierenden sind rund sieben Prozent in einem Firmengründungsprozess involviert, und ein bis zwei Prozent hatten bereits eine Firma gegründet. Floessels Team organisiert darum regelmässig Events, an denen Gründerinnen etablierter Spin-offs von sich und der Firma erzählen. «So erhalten die quasi latenten Gründer Vorbilder, die sie ausfragen können und die zeigen, dass es funktionieren kann.»
Gründerinnen im Dialog mit potentiellen Kunden
Gründerinnen und Gründern steht ein ganzes Netzwerk von Unterstützungsprogrammen mit klingenden Namen zur Verfügung. Ein wichtiges ist der Startup Campus, ein Konsortium aus verschiedenen Hochschulen, Technologie- und Innovationsparks und weiteren Unterstützungsorganisationen. Es bietet Start-up-Trainings und -Förderprogramme, sogenannte Incubators, an. «Damit wollen wir potenzielle Gründende abholen und sie im gesamten Prozess begleiten», sagt Matthias Filser, Leiter des Startup Campus und der ZHAW-Fachstelle Entrepreneurship. Die Start-up-Teams werden etwa dabei unterstützt, ein Businesskonzept und ein marktfähiges Produkt zu entwickeln und sich auf die Investorensuche vorzubereiten.
Für Filser mit das Wichtigste: die Gründenden in den Dialog mit möglichen späteren Anwendern zu bringen, damit klar wird, welche Art Produkt oder Leistung ihnen einen Mehrwert bietet und wofür sie bereit sind, zu zahlen. Gesamthaft hat der Startup Campus seit 2013 rund 3700 angehende Firmengründende ausgebildet. Die unterstützten Start-ups haben zusammen über 50 Millionen Franken Investitionskapital gesammelt. Insgesamt unterstützen im Schweizer Spin-off-Ökosystem rund 70 Organisationen angehende Unternehmende aus Hochschulen mit Fördergeld, Ausbildungsmöglichkeiten und Coaching. «Was die Förderung von Spin-offs bis zur Suche nach einem Investor angeht, ist die Schweiz verglichen mit anderen Ländern sehr gut aufgestellt», sagt Filser.
Auch kleinere Universitäten bringen Spin-offs hervor. An der Universität Freiburg etwa greift die Dienststelle für Wissens- und Technologietransfer angehenden Firmen-gründenden unter die Arme. Die Leiterin der Dienststelle, Valeria Mozzetti Rohrseitz, und ihr Team haben jeweils schon früh im Prozess, sobald es um die Patentanmeldung geht, engen Kontakt mit den potenziellen Gründerteams und begleiten sie häufig über mehrere Jahre. In ihrer Pipeline soll ein Proof of Concept Grant Studierenden und Mitarbeitenden ermöglichen, ihre Technologie fit zu machen für den Wettbewerb um Preise und Fördergelder wie die von Innosuisse. Zudem unterhält das Team eine Partnerschaft mit der kantonalen Beratungsagentur für Unternehmensgründungen Fri Up.
Wichtig ist Mozzetti Rohrseitz die Gleichstellung von Männern und Frauen, und zwar unabhängig von der Familienplanung. Dies sei nicht automatisch gegeben: Beispielsweise umfassen Innosuisse-Gelder zwar Saläre, aber keine kantonalen Familienzulagen. «Wir haben darum an der Uni Freiburg entschieden, diese zu übernehmen», sagt Mozzetti Rohrseitz, «damit die Eltern unter den Gründenden nicht benachteiligt werden.» Seit sie selbst vor 20 Jahren ihr erstes Spin-off gründete, habe sich sie Situation leider kaum verbessert. «Das liegt nach wie vor auch an der gesellschaftlichen Wahrnehmung. Ob ein firmengründender Mann ein Kind hat oder haben möchte, ist nie Thema, bei den Frauen aber schon.»
Allgemein rät sie Gründenden, nicht zu viel auf einmal machen zu wollen, sondern zunächst einmal die Technologie auf solide Füsse zu stellen und sich mit anderen in der gleichen Situation auszutauschen. Auch Frank Floessel von der ETH Zürich sagt: «Am meisten lernen Firmen von den Erfahrungen anderer Firmen. Denn meist haben sie dieselben Fragen und Probleme, zum Beispiel Knatsch unter den Gründern, die Herausforderungen beim Markteintritt, die Investorensuche.»
Darum organisiert ETH Entrepreneurship, teilweise finanziert von der UBS, regelmässig Anlässe, bei denen sich Spin-off-Gründerinnen einerseits untereinander austauschen und andererseits potenzielle Investorinnen und Investoren kennenlernen können. Aus Floessels Sicht ist klar: Die Bank bringt die Mittel für mehr Events sowie ein wertvolles Investorennetzwerk. Auch andere Förderpipelines arbeiten mit Banken zusammen, so unterhält etwa der Runway Incubator der ZHAW eine Partnerschaft mit der Zürcher Kantonalbank. Und die ETH Zürich hat mittlerweile über 580 Spin-offs hervorgebracht. Davon haben sich so einige international etabliert und sind heute börsenkotiert.
Technologie, die niemand wegnehmen kann
Die zweitgrösste Schweizer Maschine für Hochschul-Firmengründungen ist die EPFL, die ebenfalls über 500 Gründungen vorweisen kann. Im Gegensatz zur ETH Zürich sind allerdings alle Start-ups mitgezählt, ob direkt ab Hochschule oder nicht. Die anderen Hochschulen der Schweiz bringen zwar weniger Firmen hervor, aber ebenfalls erfolgreiche. Sie basieren vielfach auf jahrzehntelanger Forschung. «Diese Technologie nimmt einem erst mal niemand weg», sagt Frank Floessel von der ETH Zürich. Wenn die Jungfirmen mit ihrem Produkt einen Markt gefunden haben, sind sie dank dem Patent auch eine Zeit lang vor Konkurrenz geschützt.
Auch das Team von Roboa hat gute Chancen. Betim Djambazi und seine Kollegen führen bereits Gespräche mit möglichen späteren Kunden wie Chemie- oder Energiefirmen, die Rohrleitungen inspizieren und warten müssen. «Bisher gibt es noch nichts, das dafür so geeignet ist wie unser Roboter», sagt Djambazi. Erst in einer zweiten Phase will das Team dann seine ursprüngliche, aber technisch komplexere Idee für den Roboter umsetzen, nämlich als Hilfe bei Rettungseinsätzen – beispielsweise, um Rettungskräfte dabei zu unterstützen, in Trümmern Überlebende zu finden und sie mit Wasser zu versorgen.