Jasagt Claire Gervais von der Berner Fachhochschule.

Fachhochschulen (FH) bieten heute die für Forschungsprojekte erforderliche Infrastruktur. Es ist an der Zeit, ihnen die Möglichkeit zu geben, Dissertationen selbstständig zu betreuen, denn dies ist eine wichtige Voraussetzung für längerfristige Projekte. Die Forschung an den FH ist reif genug für die dritte Studienstufe.

«Die heutige Situation ist unehrlich und verhindert eine optimale Betreuung der Doktorierenden.»

In meinem Bereich – der Entwicklung von physikalisch-chemischen Methoden zur Konservation von Kunstwerken – können seit Kurzem Museen und Archive ein Forschungsprojekt einreichen und leiten, falls sie einer FH angeschlossen sind. Auch die aktualisierten Bestimmungen für eine Unterstützung durch den Schweizerischen Nationalfonds gehen in diese Richtung: Die neu geschaffene Kategorie der anwendungsorientierten Grundlagenforschung bedeutet eine Annäherung an Fachhochschulen, die sich in die Forschung einbringen möchten – und können. Die ehemals getrennte Finanzierung von Universitäten und Fachhochschulen wurde zusammengelegt, worin zum Ausdruck kommt, dass die FH inzwischen konkurrenzfähig sind. Ausserdem haben sie in den vergangenen Jahren immer mehr Gelder erhalten.

Die heutige Situation ist unehrlich: Der Einbezug von «Phantom»-Betreuungspersonen ist langfristig keine sinnvolle Lösung – die Rede ist von Universitätsprofessorinnen und -professoren, die aus formellen Gründen einzig auf dem Papier vorhanden sind, damit die Doktorierenden administrativ einer Universität angegliedert werden können. Ein solcher Rahmen bietet keine optimale Betreuung der Doktorierenden. Häufig findet diese nicht regelmässig statt. Das Konstrukt schafft unnötige Hürden, insbesondere im Fall von interdisziplinären Projekten. Die dazu erforderlichen Kompetenzen sind an Universitäten selten zu finden.

Eine kompetente Betreuung der beiden Doktorierenden in meinem Labor muss durch Experten erfolgen, die sich sowohl mit Konservierung und Restauration auskennen als auch mit Materialchemie und Festkörperphysik. Ein solches Triptychon ist nur in Einrichtungen zu finden, die spezielle Kompetenzen in diesem Bereich aufgebaut haben, wie dies an gewissen Fachhochschulen der Fall ist. Weil an den Schweizer Universitäten diese Art von Wissen nicht vorhanden ist, gehen viele Studierende für das Doktorat nach Frankreich oder Deutschland.

Damit das Potenzial an wissenschaftlichem Nachwuchs genutzt werden kann, müssen die Fachhochschulen künftig einen weitergehenden Zugang zur dritten Studienstufe erhalten. Eine obligatorische Mitarbeit eines Universitätsprofessors in der Doktoratsjury könnte gewährleisten, dass die Qualität stimmt. Ich habe keinerlei Zweifel, dass dies der Fall sein wird.

Claire Gervais ist SNF-Förderungsprofessorin an der Hochschule der Künste Bern. Sie leitet dort das Labor «Neue Techniken für alte Materialien», in dem auch zwei Doktorierende arbeiten.

Neinsagt Christoph Eymann, Nationalrat (LDP).

Mit der Schaffung von Fachhochschulen 1995 hat die Schweiz eine Lücke im Bildungssystem geschlossen. Später erfolgte mit der Gewährleistung der Durchlässigkeit zwischen verschiedenen Bildungsgängen eine weitere Optimierung. Beide voneinander unabhängigen Massnahmen helfen mit, Fachkräfte auszubilden und Bildungs-Sackgassen zu verhindern. Wenn eine Volkswirtschaft – technisch ausgedrückt – das Bildungspotenzial ihrer Bevölkerung optimieren will, sind sowohl Fachhochschulen als auch Durchlässigkeit unverzichtbar.

In letzter Zeit sind vermehrt Anliegen nach einem selbstständigen Promotionsrecht der Fachhochschulen aufgekommen. Als ehemaliger Erziehungsdirektor lehne ich diese Forderung ab.

«Eine Abwertung der dualen Berufsbildung darf nicht erfolgen.»

Im Gegensatz zu den Universitäten sollen Fachhochschulen Leuten zur Verfügung stehen, die nach der Volksschule eine Berufsausbildung absolviert haben. Diese erfolgt anwendungsorientiert. In der Vorbereitung der angehenden Studierenden liegt bei den Fachhochschulen das Schwergewicht auf der Praxis und nicht ausschliesslich auf der Allgemeinbildung, wie dies für eine Universität der Fall ist. Es war und ist die Haltung des Gesetzgebers, in der Fachhochschule die Anwendung des Berufswissens und der Berufskenntnisse zu vertiefen.

Die Hochschultypen unterscheiden sich gewollt: Die Universitäten betreiben Grundlagenforschung, die Fachhochschulen angewandte Forschung. Daraus ergeben sich auch die Lehrziele der jeweiligen Hochschule. In der Gründerzeit wurde der nach wie vor gültige Slogan geprägt: «gleichwertig, aber andersartig».

Die Weiterbildung von Berufsleuten in einer Fachhochschule ist für die Struktur der vielen Klein- und Mittelbetriebe in der Schweiz von zentraler Bedeutung. Dank dieses praxisorientierten Hochschultypus konnte auch das Qualitätsniveau und damit die Konkurrenzfähigkeit der Klein- und Mittelbetriebe gehalten, ja vielleicht sogar noch gesteigert werden. Die Verleihung eines eigenen Promotionsrechts würde sich nicht qualitätssteigernd auswirken.

In der Bevölkerung herrscht zudem eine ablehnende Haltung gegenüber einer «Verakademisierung». Eine Abwertung der dualen Berufsbildung darf deshalb nicht erfolgen. Ein Doktorat würde wohl auch von den finanzierenden Kantonen nicht genehmigt. Es ist zuweilen schon schwierig, Gelder für die Forschung an der Fachhochschule zu begründen.

Christoph Eymann ist Nationalrat (LDP) und Mitglied der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur. Er sitzt im Universitätsrat der Uni Basel und war Präsident der Erziehungsdirektorenkonferenz von 2013 bis 2016.