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Jasagt Alain Clavien, emeritierter Professor für Zeitgeschichte an der Universität Freiburg.

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Neinsagt Brigitte Studer, emeritierte Professorin für Schweizer und neueste allgemeine Geschichte.
«Das ist eine eingeschränkte Art, Professor zu sein», so sehen es viele Kolleginnen, wenn von Teilzeitarbeit bei einer Professur die Rede ist, zum Beispiel in Form von Jobsharing. Diese Meinung muss man nicht teilen, und sie ist im Übrigen Ausdruck eines eigenartigen Selbstbildes. Mir scheinen die Vorteile von Lehrstühlen mit Teilzeitpensum zu überwiegen.

Den Betroffenen, die sich für ein Jobsharing entscheiden, bietet es die Aussicht auf ein Leben neben der Universität: Sie können sich Hausarbeit und Kindererziehung teilen, ihrer Partnerin oder ihrem Partner eine Karriere ermöglichen und sich politisch, sozial, sportlich oder künstlerisch engagieren. Nicht alle streben danach, dass auf ihrem Grabstein steht: «Er hat nur für die Universität gelebt.»

«Nicht alle streben danach, dass auf ihrem Grabstein steht: ‹Er hat nur für die Universität gelebt.›»

Für die Studierenden liegen die Vorteile auf der Hand: Zwei Professorinnen im Jobsharing, das bedeutet zwei Perspektiven, zwei Persönlichkeiten, zwei Lösungsansätze, zwei Adressbücher, doppelt so viel Zeit für die Betreuung einer Masterarbeit oder Dissertation, doppelt so viele Projekte beim Schweizerischen Nationalfonds. Jobsharing bietet auch Chancen für den Nachwuchs. Das Modell muss nicht gleich zur Regel werden, aber Teilzeitarbeit ermöglicht unterschiedliche Karrierepläne und schafft mehr unbefristete Stellen an Hochschulen. Das ist ein nicht zu vernachlässigender Aspekt angesichts des zwar gut ausgebildeten Nachwuchses, der aber häufig das Nachsehen hat. Die Hochschulen sollten sich nicht auf das Modell des Wissenschaftlers versteifen, der ausschliesslich an die Karriere denkt und hektisch Stipendien, Aufenthalte und wissenschaftliche Artikel aneinanderreiht.

In der aktuellen Krise an den Hochschulen, von deren Tiefe eine Reihe von Petitionen zeugt, ist Jobsharing eines von mehreren geeigneten Instrumenten, und es wäre schade, darauf zu verzichten. Das Kollegium der Professorinnen würde vielfältiger, und mit ihm auch die Forschung. Der Teilzeitprofessor Indiana Jones würde da sicher zustimmen.

Alain Clavien ist emeritierter Professor für Zeitgeschichte an der Universität Freiburg. Er forscht zu Arbeiterbewegungen, Intellektuellen und dem kulturellen Leben.

Hinter der Forderung nach mehr Teilzeitstellen bei Professuren stehen drei strukturelle Probleme der Universität: der Mangel an Nachwuchsstellen mitsamt den prekären Arbeitsbedingungen im Mittelbau, die Unterrepräsentation der Frauen und die Arbeitsbelastung bei einer festen Anstellung auf Professorenebene. Diese Probleme sind real und harren einer Lösung. Trotzdem sind Teilzeitprofessuren nicht die adäquate Antwort. Im Einzelfall mögen diese zwar den Bedürfnissen einer Forscherin respektive eines Forschers in einem bestimmten Lebensabschnitt entgegenkommen. Als generelle Lösung für die akademischen Strukturprobleme können die geforderten Teilzeitstellen indes nicht taugen. Dies gilt insbesondere dann, wenn, wie oft vorgeschlagen, die Stelle im 50-Prozent- Jobsharing mit entsprechend reduziertem Gehalt und geteilter Ausstattung ausgeschrieben wird.

«Im ausgeprägten universitären Statusdenken dürften Teilzeitprofessorinnen kaum als vollwertig gelten.»

Es stimmt zwar, dass damit zwei Personen eine Stelle erhalten statt nur einer. Im ausgeprägten universitären Statusdenken dürften sie aber kaum als vollwertige Professorinnen gelten, zumal, wenn sie entsprechend ihres Pensums nur über eine halbe Stimme in den universitären Gremien verfügen.

Und wozu soll die restliche Prozentzeit eingesetzt werden? Um Wissenschaft und Familienleben kompatibel zu machen? Oder um mehr Forschung zu ermöglichen, die neben den Administrationsaufgaben meist zu kurz kommt? Im ersten Fall ist die Gefahr hoch, dass sich vorwiegend Frauen bewerben. Obschon nicht intendiert, würde somit als Nebeneffekt ein patriarchales Familienmodell bekräftigt. Im zweiten Fall würde eine Aufgabe des professoralen Pflichtenhefts in die unbezahlte Freizeit verlagert.

Die Politik würde es zudem danken und sich die Chance einer Flexibilisierung der Anstellungen und einer Anpassung des Schweizer Lohnniveaus an Deutschland oder Frankreich nicht entgehen lassen. Statt individueller Lösungen wären grundlegende Reformen im Sinne flacherer Hierarchien und einer Umverteilung der Mittel zur Schaffung neuer Stellen und einer allgemeinen Reduktion der Arbeitsbelastung angebrachter.

Brigitte Studer ist emeritierte Professorin für Schweizer und neueste allgemeine Geschichte an der Universität Bern. Sie forscht zu Sozialstaat, Frauenbewegungen und Kommunismus.

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Jasagt Alain Clavien, emeritierter Professor für Zeitgeschichte an der Universität Freiburg.

«Das ist eine eingeschränkte Art, Professor zu sein», so sehen es viele Kolleginnen, wenn von Teilzeitarbeit bei einer Professur die Rede ist, zum Beispiel in Form von Jobsharing. Diese Meinung muss man nicht teilen, und sie ist im Übrigen Ausdruck eines eigenartigen Selbstbildes. Mir scheinen die Vorteile von Lehrstühlen mit Teilzeitpensum zu überwiegen.

Den Betroffenen, die sich für ein Jobsharing entscheiden, bietet es die Aussicht auf ein Leben neben der Universität: Sie können sich Hausarbeit und Kindererziehung teilen, ihrer Partnerin oder ihrem Partner eine Karriere ermöglichen und sich politisch, sozial, sportlich oder künstlerisch engagieren. Nicht alle streben danach, dass auf ihrem Grabstein steht: «Er hat nur für die Universität gelebt.»

«Nicht alle streben danach, dass auf ihrem Grabstein steht: ‹Er hat nur für die Universität gelebt.›»

Für die Studierenden liegen die Vorteile auf der Hand: Zwei Professorinnen im Jobsharing, das bedeutet zwei Perspektiven, zwei Persönlichkeiten, zwei Lösungsansätze, zwei Adressbücher, doppelt so viel Zeit für die Betreuung einer Masterarbeit oder Dissertation, doppelt so viele Projekte beim Schweizerischen Nationalfonds. Jobsharing bietet auch Chancen für den Nachwuchs. Das Modell muss nicht gleich zur Regel werden, aber Teilzeitarbeit ermöglicht unterschiedliche Karrierepläne und schafft mehr unbefristete Stellen an Hochschulen. Das ist ein nicht zu vernachlässigender Aspekt angesichts des zwar gut ausgebildeten Nachwuchses, der aber häufig das Nachsehen hat. Die Hochschulen sollten sich nicht auf das Modell des Wissenschaftlers versteifen, der ausschliesslich an die Karriere denkt und hektisch Stipendien, Aufenthalte und wissenschaftliche Artikel aneinanderreiht.

In der aktuellen Krise an den Hochschulen, von deren Tiefe eine Reihe von Petitionen zeugt, ist Jobsharing eines von mehreren geeigneten Instrumenten, und es wäre schade, darauf zu verzichten. Das Kollegium der Professorinnen würde vielfältiger, und mit ihm auch die Forschung. Der Teilzeitprofessor Indiana Jones würde da sicher zustimmen.

Alain Clavien ist emeritierter Professor für Zeitgeschichte an der Universität Freiburg. Er forscht zu Arbeiterbewegungen, Intellektuellen und dem kulturellen Leben.

 


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Neinsagt Brigitte Studer, emeritierte Professorin für Schweizer und neueste allgemeine Geschichte.

Hinter der Forderung nach mehr Teilzeitstellen bei Professuren stehen drei strukturelle Probleme der Universität: der Mangel an Nachwuchsstellen mitsamt den prekären Arbeitsbedingungen im Mittelbau, die Unterrepräsentation der Frauen und die Arbeitsbelastung bei einer festen Anstellung auf Professorenebene. Diese Probleme sind real und harren einer Lösung. Trotzdem sind Teilzeitprofessuren nicht die adäquate Antwort. Im Einzelfall mögen diese zwar den Bedürfnissen einer Forscherin respektive eines Forschers in einem bestimmten Lebensabschnitt entgegenkommen. Als generelle Lösung für die akademischen Strukturprobleme können die geforderten Teilzeitstellen indes nicht taugen. Dies gilt insbesondere dann, wenn, wie oft vorgeschlagen, die Stelle im 50-Prozent- Jobsharing mit entsprechend reduziertem Gehalt und geteilter Ausstattung ausgeschrieben wird.

«Im ausgeprägten universitären Statusdenken dürften Teilzeitprofessorinnen kaum als vollwertig gelten.»

Es stimmt zwar, dass damit zwei Personen eine Stelle erhalten statt nur einer. Im ausgeprägten universitären Statusdenken dürften sie aber kaum als vollwertige Professorinnen gelten, zumal, wenn sie entsprechend ihres Pensums nur über eine halbe Stimme in den universitären Gremien verfügen.

Und wozu soll die restliche Prozentzeit eingesetzt werden? Um Wissenschaft und Familienleben kompatibel zu machen? Oder um mehr Forschung zu ermöglichen, die neben den Administrationsaufgaben meist zu kurz kommt? Im ersten Fall ist die Gefahr hoch, dass sich vorwiegend Frauen bewerben. Obschon nicht intendiert, würde somit als Nebeneffekt ein patriarchales Familienmodell bekräftigt. Im zweiten Fall würde eine Aufgabe des professoralen Pflichtenhefts in die unbezahlte Freizeit verlagert.

Die Politik würde es zudem danken und sich die Chance einer Flexibilisierung der Anstellungen und einer Anpassung des Schweizer Lohnniveaus an Deutschland oder Frankreich nicht entgehen lassen. Statt individueller Lösungen wären grundlegende Reformen im Sinne flacherer Hierarchien und einer Umverteilung der Mittel zur Schaffung neuer Stellen und einer allgemeinen Reduktion der Arbeitsbelastung angebrachter.

Brigitte Studer ist emeritierte Professorin für Schweizer und neueste allgemeine Geschichte an der Universität Bern. Sie forscht zu Sozialstaat, Frauenbewegungen und Kommunismus.