Illustration: Irene Sackmann

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DETEKTIVARBEIT IN ARCHIVEN
Aufgeregt

Federica Rossi (41), Archivo del Moderno, Università della, Svizzera italiana

«In einem Archiv vergesse ich die Zeit. Im abgedunkelten Raum ist es still – kein Telefon, kaum Menschen. Meine Recherchen sind etwas Intimes. Ich suche nach Geschichten von Menschen, die in nur fünf Jahren Moskau neu aufgebaut haben. Während Napoleon 1812 die Stadt besetzte, zerstörte ein Feuer drei Viertel der Gebäude. Es ist wenig bekannt, dass besonders Tessiner Architekten die Rekonstruktion der Stadt prägten. Eigentlich fühle ich mich als Sherlock Holmes für die Vergangenheit. Ich bin immer wieder aufgeregt und neugierig, sobald ich in einem neuen Dokument nach Datum und Signatur suche oder Briefe von Aristokraten an den Tessiner Architekten Domenico Gilardi lese. Jetzt im zweiten Jahr des Projektes werden die längst verstorbenen Menschen zu meinen Freunden. Sie sind mir vertraut, haben ein Gesicht, ja sogar einen Charakter bekommen. Manchmal unterstützen mich russische Kollegen bei der Recherche in den Archiven. Wer erkennt zuerst, ob das Schreiben ein Original oder eine Kopie ist? Wir konzentrieren uns gemeinsam auf das Dokument und versinken dabei in einen Flow – ein beglückendes Gefühl verbindet uns.»


Illustration: Irene Sackmann

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AUFERSTEHUNG VON PALMYRA
Ergriffen

Patrick Michel (36) Institut für Archäologie und Altertumswissenschaften, Universität Lausanne

«Als der Islamische Staat im August 2015 den Baal-Tempel im syrischen Palmyra in die Luft sprengte, war das ein echter Schock. Ich erlebte als Kind den Krieg im Libanon und kann mich noch an zerstörte Städte erinnern. Hier war es eine archäologische Stätte. Das hat mich zum Weinen gebracht. Ich verspürte tiefe Abscheu, aber es hat auch etwas in mir ausgelöst. Ich wusste, dass wir in unserem Archiv an der Universität Lausanne Material hatten, mit dem wir das Leben dieses Monuments nachzeichnen können: die Daten des Schweizer Archäologen Paul Collart aus den 1950er-Jahren. Wir durften diese nicht unter Verschluss halten. Daran zu erinnern war eine Pflicht, wissenschaftlich und humanitär gesehen. Unser dreidimensionales Modell veranschaulicht die Entwicklung der Stätte über mehr als ein Jahrtausend, von 200 v.Chr. bis 1200 n.Chr. Unsere Rekonstruktionsarbeit war als Weltpremiere in einer Ausstellung zu sehen. Die Besucher haben sie oft mit Tränen in den Augen verlassen. In erster Linie haben wir dieses Projekt aber für die Menschen in Syrien konzipiert, vor allem für die Kinder, die in den Flüchtlingslagern zur Welt gekommen sind, damit sie in Verbindung mit ihrem kulturellen Erbe bleiben können. Die Beteiligung am virtuellen Wiederaufbau von Palmyra und anderen Stätten hat mir Hoffnung und meiner Arbeit einen echten Sinn gegeben.»


 Illustration: Irene Sackmann

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PAPIERKRAM IM FORSCHUNGSALLTAG
Verärgert

Martin Fussenegger (50) Department of Biosystems Science and Engineering, ETH Zürich

«Forschung ist nicht planbar. Warum? Weil wir die Zukunft nicht voraussehen können. Heute engt uns die Administration ein: Zuerst muss ich eine Hypothese aufstellen, dazu schreibe ich einen Plan. Sobald das Projekt bewilligt, das Geld da ist, kann ich losforschen. Danach schreibe ich ständig neue Berichte für das Controlling, ob ich mit dem Geld richtig umgehe. Entdecke ich etwas Interessantes, das nicht in meinen Antrag passt, braucht es eine neue Hypothese, einen neuen Antrag – alles ist reguliert. Administration kostet sehr viel Geld und Zeit. Es ist genau die Zeit, die uns beim Forschen fehlt. Was mich noch mehr ärgert: Es herrscht der Glaube an ein perfektes System, das keine Fehler zulässt. Als Biologen wissen wir jedoch, dass jedes System fünf bis zehn Prozent Fehler hat, nur so bleibt es flexibel. Mein Appell an die Welt der Hochschulen: Regulation und Kreativität vertragen sich schlecht!»


Illustration: Irene Sackmann

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HALTUNG VON LEGEHENNEN
Glücklich

Nadine Ringgenberg (33) Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen

«Herausfinden, wie Rampen, Sitzstangen und Nester für Legehennen optimal eingerichtet werden müssen, damit es den Tieren in ihrem Leben möglichst gut geht – das finde ich sehr erfüllend. Jedes Mal, wenn wir Forschungsergebnisse in die Praxis umsetzen dürfen, freut es mich enorm und motiviert mich. Denn das Wohl dieser Tiere liegt mir am Herzen. Ein grosser Moment war, als wir letzten Herbst den neuen Versuchsstall für Geflügel und Kaninchen in Zollikofen einweihen konnten. Ich war froh und dankbar, als nach einem Jahr Bauzeit die ersten Hühner den Stall betreten konnten. Bedingungen wie Hygiene, Lüftung und Infrastruktur sind stark verbessert worden. Jetzt hoffe ich, dass wir mit den Erkenntnissen aus diesem Stall in Zukunft das Wohl von Tausenden von Hühnern in der Schweiz verbessern können.»