Klimalack

Ausgehend vom Prinzip, dass helle Kleider den Körper kühlen und dunkle Kleider wärmen, tüftelte Steve Joseph zusammen mit seinen Klassenkollegen Ladina Fontana und Leonardo Rössler von der Berufsmittelschule Winterthur an einer Lackrezeptur mit Thermochrompigmenten. Ab einer gewissen Temperatur soll die Farbe von dunkel auf hell wechseln und Sonnenstrahlen nicht mehr in Wärme umwandeln, sondern reflektieren. Auf diese Weise liessen sich Gebäude nur dank der wechselnden Farbe und ohne zusätzliche Energie klimatisch regulieren. Ihre Mischung testeten die drei angehenden Farb- und Lacklaboranten an einem Auto und massen die Temperaturveränderungen mit einer Wärmebildkamera. «Alleine hätte ich am Wettbewerb sicher nicht so gut abgeschlossen», sagt Steve Joseph. Die Teamarbeit machte denn auch den Unterschied: Bei 27 Grad wechselte die Farbe von dunkel auf hell. Noch fehlt der letzte Schliff: Für eine industrielle Anwendung muss zuerst die Wetterbeständigkeit weiter entwickelt werden.

Bild: Valérie Chételat

Name: Steve Joseph
Alter: 20
Wohnort: Herrbrugg, St. Gallen
Studium: Chemie, ZHAW
Vorbilder: Elon Musk

Die Wasserqualität überprüfen

Als der Cassarate-Fluss gleich hinter dem Gymnasium renaturiert wurde, hat Arianna Arpagaus zu Sensoren, Lupe, Notizblock und Stift gegriffen: «Die wertvollsten Resultate sind die sichtbaren – und im besten Fall die positiven», sagt die passionierte Biologin. Dreimal hat sie im Sommer 2015 ihren Fluss in drei Abschnitten beprobt, die Zusammensetzung der Kleinlebewesen analysiert, den Lauf des Flusses beschrieben und die Wasserqualität gemessen. Die Praxis bestätigte die Theorie: Flussabwärts der Siedlungsgebiete nahmen die berechneten Qualitätsindikatoren ab. Aber: «Ich konnte mit eigenen Augen sehen, dass die Renaturierungsarbeiten eine positive Wirkung haben.» Noch seien die Anzeichen nicht sehr deutlich, doch die durchschnittlich hohe Wasserqualität, die tiefe Schadstoffbelastung und die biologischen Indikatoren wiesen auf einen durchschnittlich gesunden Fluss hin.

Bild: Valérie Chételat/Prämierte Schweizer Jugend-Forscher

Name: Arianna Arpagaus
Alter: 20
Wohnort: Castagnola TI, Zürich
Studium: Gesundheitswissenschaften, ETH Zürich
Vorbilder: Nino Schurter, Mountainbike-Profi

Auf der Erinnerungsspur

Maria Grazia Mansour wollte in ihrer Arbeit mit dem menschlichen Erinnerungsvermögen experimentieren und hat im Luftschutzkeller ihrer Mittelschule ein eigenes Labor eingerichtet. Im Zimmer platzierte die heutige Medizinstudentin auch drei Schlüsselobjekte: eine Standuhr, Weihrauch und eine Pflanze, die je nach Variante tickten, Geruch aussendeten oder zur Kontrolle einfach dastanden. Für das Experiment führte Mansour 82 Kolleginnen und Kollegen für zwei Minuten ins Zimmer. Während die Teilnehmenden Sudoku-Rätsel lösten, änderte sie die Position einiger Objekte. Nach einem weiteren Rundgang durchs Zimmer testete sie das Erinnerungsvermögen der Teilnehmenden mit einem Fragebogen und wollte wissen, ob ein Gegenstand im Zimmer verschoben worden sei. Rund ein Drittel merkte, wenn die Uhr oder der Weihrauch nicht mehr am gleichen Ort standen. Nur jeder Fünfzehnte, wenn Mansour die Pflanze verschob. Die Auswertungen zeigten, dass Sehreize in Verbindung mit Gerüchen oder Geräuschen das Erinnerungsvermögen verstärken.

Bild: Valérie Chételat/Prämierte Schweizer Jugend-Forscher

Name: Maria Grazia Mansour
Alter: 19
Wohnort: Bussigny VD
Studium: Humanmedizin, Uni Lausanne
Vorbilder: «Ärztinnen und Ärzte, was ich eines Tages auch sein möchte»

Drogenrevolution

Es waren nicht weniger als 10 000 historische Dokumente, die Laura Peter für ihre brillant recherchierte Maturaarbeit sichtete. Thema: «Mit Überlebenshilfe aus der Sackgasse. Die Drogenpolitik des Zürcher Stadtrats von 1989 bis 1995». Eine Aufarbeitung, die ihren Anfang während Peters Austauschjahr in Vancouver nahm. «Hier erfuhr ich, dass sich die kanadischen Behörden bei der Drogenpolitik am Modell von Zürich orientieren. Ein Thema, zu dem ich kaum etwas wusste.» Die vorhandene Literatur indes konnte ihren Wissensdurst nicht stillen. Also holte sie sich eine Bewilligung des Stadtarchivs Zürich, tauchte in die Welt der Primärquellen ein und kam zum Schluss: «Was als revolutionäre Massnahme gegen Not und Elend der Drogenabhängigen begonnen hatte, wurde zum neuen Standard und ist bis heute ein Garant dafür, dass keine neue offene Drogenszene entsteht.» Ihre
Arbeit sieht Peter darum auch als Inspiration, die Zürcher Erfahrungen auf andere Städte anzuwenden. «Wird das Wissen auf die jeweiligen lokalen Begebenheiten adaptiert, ist Grosses möglich.»

Bild: Valérie Chételat/Prämierte Schweizer Jugend-Forscher

Name: Laura Peter
Alter: 19
Wohnort: Küsnacht ZH
Studium: Geisteswissenschaften
Vorbilder: «Menschen, die unpopuläre Wege gehen und gesellschaftliche Verantwortung übernehmen»

Weniger Nebenwirkungen bei Transplantationen

Bei der Transplantation von Gliedmassen wird derzeit auf Immunsuppression im ganzen Körper gesetzt, was zu schweren Nebenwirkungen führen kann. Lorina Locher wollte deshalb wissen, ob sich die Abstossungsreaktion auch mit lokaler Immunsuppression verhindern liesse, und begab sich in Zusammenarbeit mit dem Berner Departement für klinische Forschung anhand von Ratten-Modellen auf Spurensuche. Eine Untersuchung zweier Methoden, die, so Locher, «zwar nur einen Bruchteil einer grösseren Forschungsarbeit darstellt, trotzdem aber der routinemässigen Gliedmassentransplantation zu einer breiteren Anwendung verhelfen könnte.» Das sei grossartig. «Toll war zudem die Erkenntnis, dass ich ein Thema und eine Aufgabenstellung von solcher Komplexität selbstständig erarbeiten, lösen und auch tatsächlich verstehen kann.» Geht es nach den Experten, markiert die Arbeit den Beginn einer wissenschaftlichen Karriere: Die objektive Ausarbeitung der Resultate und die Interpretation hinsichtlich weiterführender Untersuchungen zeuge «von grossem Verständnis für die naturwissenschaftliche Forschung.»

Bild: Valérie Chételat/Prämierte Schweizer Jugend-Forscher

Name: Lorina Locher
Alter: 21
Wohnort: Wohlen AG
Studium: Maschinenbauingenieurwissenschaften, ETH Zürich
Vorbilder: Elon Musk und «Menschen, die die Welt verändern wollen»

Es werde Licht

Vom kaleidoskopischen Gewirr an Messungen und Hypothesen zu einer aussagekräftigen Einheit: Caroline Haslers Maturaarbeit entspricht dem experimentellen Teil einer Masterarbeit und soll später mit Ergänzungen veröffentlicht werden. Hasler erforschte die Lumineszenz des weissen Leuchtstoffs Ba7F12Cl2:Eu2+. Fasziniert von den physikalischen Hintergründen und technischen Anwendungen der Lumineszenz, nahm sie sich in einem Labor des Genfer Departements für Physikalische Chemie ihrer Ergründung an. Gleichzeitig verfolgte sie, wie untersucht wird, ob Leuchtstoffe für den Handel geeigneet sind. «Eine hoch spannende Zeit mit ebensolchen Ergebnissen», so Hasler. Während ihrer Experimente sammelte sie nicht nur Informationen für eine Optimierung des Leuchtstoffs, sondern fand sie überdies eine interessante Abweichung: «An der Lumineszenz von Ba7F12Cl2:Eu2+ könnte gemäss meinen Messresultaten ein anderer Mechanismus beteiligt sein, als im theoretischen Modell bisher angenommen wurde.» Fortsetzung folgt.

Bild: Valérie Chételat/Prämierte Schweizer Jugend-Forscher

Name: Caroline Hasler
Alter: 19
Wohnort: Aargau AG
Studium: klassische Geschichte und Latein, Rom. Physik, ETH Zürich ab 2018
Vorbild: Richard Feynman, US-Physiker und Nobelpreisträger 1965

Künstliche Ziffernerkennung

Ein Ausflug in die Zukunft der Datenforschung brachte Raphael Husistein neben einer bravourösen Maturaarbeit überdies eine Einladung an die Taiwan International Science Fair 2018 ein. «Ich freue mich sehr, dort erneut mit internationalen Experten ins Gespräch zu kommen», so Husistein. «Diesen Austausch empfand ich bereits während der Maturaarbeit als sehr bereichernd.» Husistein realisierte eine Ziffernerkennung mit einem künstlichen neuronalen Netz. Er ging damit gegen Probleme wie Überanpassung an das Trainingsdatenset und hohen Arbeitsspeicherverbrauch vor und nahm die Funktionsweise der Technologie unter die Lupe. Das grosse Medienecho, das die Bilderkennung Google Deepdream auslöste, machte auch Husistein neugierig. «Ab da wollte ich unbedingt mehr zur Funktionsweise dieser Technologie erfahren.» Auch wenn die erzielte Leistung jene konventioneller neuronaler Netze nicht übertraf, brachte Husisteins Forschungsarbeit neue Erkenntnisse. «Die wichtigste Frage für weitere Experimente ist, welche Voraussetzungen ein Problem erfüllen muss, damit vorgeschaltete Kohonen-Netze (A. d. R.: ein spezieller Typ neuronales Netz) eine Verbesserung bringen.» An künftigen Themen fehlt es dem jungen Forscher also nicht.

Bild: Valérie Chételat/Prämierte Schweizer Jugend-Forscher

Name: Raphael Husistein
Alter: 19
Wohnort: Beckenried NW
Studium: Rechnergestützte Wissenschaften, ETH Zürich
Vorbild: Bill Gates

Erster Kontakt mit Hochschulen
Schon der erste Schritt kann der entscheidende sein. Seit über fünfzig Jahren haben innovative und wissensdurstige Jugendliche aus Gymnasien und Berufsschulen am Nationalen Wettbewerb von «Schweizer Jugend forscht» (SJf) teilgenommen.

Die Stiftung SJf kümmert sich um die Nachwuchstalente und knüpft das Netzwerk zu Hochschulen und Universitäten. Den Themen sind keine Grenzen gesetzt: Sie reichen von naturwissenschaftlichen Experimenten und technischen
Neuentwicklungen über geistes- und sozialwissenschaftliche Untersuchungen und Arbeiten zu Kunst, Musik und Kultur.
www.sjf.ch