Mike S. Schäfer untersucht derzeit, wie sich die Aussenkommunikation der Schweizer Hochschulen in den letzten Jahrzehnten verändert hat. | Bild: Valérie Chételat

Die Hochschule der Künste Bern beteiligte sich am Projekt «Käse beschallen», in dessen Rahmen acht Laibe Emmentaler Käse über Monate mit jeweils einem Musikstück beschallt wurden: von Mozart bis Led Zeppelin. Ein neunter, nicht beschallter Käse wurde als Referenz verwendet. Tilo Hühn von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften führte am Schluss eine «Sensorische Konsensanalyse» durch. Nach Bekanntgeben der Resultate wurde international getitelt: Hip-Hop verleiht dem Käse besonders guten Geschmack. Mike S. Schäfer, Professor für Wissenschaftskommunikation von der Universität Zürich, kommentiert die Berichterstattung zu solchen Projekten.

Der Direktor der Hochschule der Künste Bern, Thomas Beck, sagte zum Projekt «Käse beschallen», dass er das internationale Medienecho nicht erwartet hätte. Waren Sie auch überrascht vom Erfolg, Mike Schäfer, ?

Das Projekt bedient das Kuriosum als Nachrichtenwert. Es ist eine ungewöhnliche Geschichte, da man den Effekt von Musik auf Käse nicht erwartet – den es aber auch nicht gab. Zudem ist Käse ein nationales Symbol der Schweiz. Das Projekt war also gut geeignet für ein heiteres Aufnehmen durch Medien. Trotzdem: Es gibt zu jedem Zeitpunkt eine grosse Zahl von Studien, die etwas kuriose Designs haben. Welche medial durch die Decke gehen, ist kaum zu prognostizieren.

Jede Hochschule ist inzwischen ihr eigenes PR-Unternehmen: Bestätigt das Käseprojekt den Erfolg dieser Strategie?

Die Medien- und PR-Arbeit wissenschaftlicher Einrichtungen hat sich in vielen Ländern tatsächlich enorm erweitert. Es gibt mehr Angestellte, mehr Ressourcen, die Befunde werden professioneller aufbereitet.

Aber das ist nur eine Seite der Medaille.

Richtig. Der Umfang der Medienberichterstattung, in der es um wissenschaftliche Fragen geht, hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Gleichzeitig ist aber die Zahl der Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten gesunken. Sie haben also weniger Zeit und arbeiten unter schlechteren Bedingungen. Durch diese Gemengelage, zu der noch die gewachsenen und immer professionelleren PR-Abteilungen mit ihren pfannenfertigen Beiträgen kommen, wird die Berichterstattung natürlich nicht besser. Zudem suchen Journalisten für die Sozialen Medien nach Kuriosa, weil sie gute Klickraten ergeben. Das Käseprojekt passt da ins Beuteschema.

«Über wissenschaftliche Befunde lohnt es sich erst zu berichten, wenn sie sich über eine Reihe von Studien bewährt haben.»

Das Käseprojekt macht keine wissenschaftliche Aussage. Interessieren sich Medienschaffende jenseits hochstehender Wissensformate gar nicht für wissenschaftliche Qualität?

In den bunten Rubriken, wo das Käseprojekt viel mediales Echo bekam, geht es nicht primär um wissenschaftliche Qualität. Aber grundsätzlich gilt: Eine einzelne Studie ist so gut wie nie der Weisheit letzter Schluss. Über wissenschaftliche Befunde lohnt es sich erst zu berichten, wenn sie sich über eine Reihe von Studien bewährt haben.

Berichterstattung über einzelne Studien ist irreführend?

Zumindest sollte man damit vorsichtig sein. Das zeigt sich etwa bei Ernährungsstudien. Ist das tägliche Glas Wein gesund oder nicht? Solche Themen generieren Aufmerksamkeit, sind aber oft keine seriöse Berichterstattung. Beim nicht wissenschaftsaffinen Publikum entsteht der Eindruck: Die Wissenschaft hat nichts Gesichertes zu sagen. Leute dagegen, die sich mit Wissenschaft beschäftigen, verstehen: Es ist normal, dass sich einzelne Studien auch mal widersprechen, dass es Dissens gibt. Wissenschaft korrigiert sich selber.

Auch Horizonte berichtet über einzelne Studien.

Immerhin hat Horizonte ein wissenschaftsaffines Publikum, das einzelne Studien besser einzuordnen weiss. Aber für andere Publikationen ist eine solche Berichterstattung suboptimal.

«Wissenschaftlerinnen an Hochschulen geniessen bei der Bevölkerung das grösste Vertrauen. Damit muss verantwortungsvoll umgegangen werden.»

Wenn es aber keine Berichterstattung über Einzelstudien mehr gibt, wird es insgesamt weniger Berichterstattung über Wissenschaft geben.

Nicht unbedingt. Die meisten Artikel über Wissenschaft erscheinen schon jetzt nicht in den Wissensrubriken der Medien, sondern in den Politik- und Wirtschaftsrubriken, im Feuilleton und so weiter. Dort geht es dann eher um gesellschaftliche Fragen wie die Folgen des Klimawandels oder der Immigration, zu denen Wissenschaft Expertise liefern kann.

Noch einmal zum Käseprojekt: Hätten die Hochschulen deutlicher machen sollen, dass es sich dabei um ein Kunstprojekt handelt?

Wissenschaftlerinnen an Hochschulen geniessen bei der Bevölkerung das grösste Vertrauen. Damit muss verantwortungsvoll umgegangen werden. Die meisten Kommunikationsabteilungen wissenschaftlicher Einrichtungen tun das auch. Das Käseprojekt ist eine Ausnahme.