Im Frühjahr haben sich die Forschungsminister und Forschungminsiterinnen der EU in Marseille getroffen.| Foto: Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung

Die Forschungsminister der EU haben im März in Marseille eine gemeinsame Erklärung mit neuen Grundsätzen unterzeichnet, die die Freiheit der Forschung betonen. Diese umfassen unter anderem «das Recht der Forschenden, sich in repräsentativen beruflichen oder akademischen Organisationen zusammenzuschliessen, ohne durch das System, in dem sie arbeiten, oder durch staatliche oder institutionelle Zensur und Diskriminierung benachteiligt zu werden».

Die Marseille Declaration ist das Ergebnis jahrelanger Debatten zwischen den EU-Mitgliedstaaten und entlarvt sich nun vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine als sehr unvollständig.

«Die grosse Anzahl an Forschenden, die die Tür für russische Zusammenarbeit schliessen wollten, bedeutet einen Paradigmenwechsel.»Thomas Jørgensen

Science Business etwa beruft sich auf Thomas Jørgensen, leitender politischer Koordinator bei der European University Association: Die grosse Anzahl an Forschenden, die die Tür für russische Zusammenarbeit schliessen wollten, bedeute «einen Paradigmenwechsel, aber die Erklärung bezieht sich immer noch auf Werte wie vor dem Krieg». Kurt Deketelaere, Generalsekretär der Liga Europäischer Forschungsuniversitäten, ist zudem der Meinung, dass die Marseille Declaration erst dann ernst genommen werden könne, wenn die Kommission der Schweiz und dem Vereinigten Königreich erlaube, sich mit Horizon Europe zu assoziieren.

Auch Jan Palmowski, Generalsekretär der Gilde der europäischen forschungsintensiven Universitäten, erklärt, dass die Balance zwischen der Reaktion auf den russischen Angriffskrieg und auf Eigengänge wie jene der Schweiz oder Grossbritanniens auf diese Weise nicht stimme: «Die politischen Argumente für die Nichtaufnahme beider Länder sind nicht annähernd so stark wie die wissenschaftlichen Argumente für ihre Aufnahme. Dieses Gleichgewicht ist bei einem Land, das einem europäischen Land den Krieg erklärt hat, ein ganz anderes.»