Die Forschungsgruppe konnte in der renommierten Fachzeitschrift für Soziologie publizieren und ist damit im Olymp der Wissenschaft angekommen. Jetzt wird so richtig gefeiert! | Illustration: Melk Thalmann

Das wissenschaftliche Publikationssystem hat fragwürdige Seiten: Je mehr Artikel eine Forscherin in anerkannten Fachzeitschriften veröffentlichen kann, desto mehr steigt auch ihr Ansehen. Aber hat sie so überhaupt genug Raum und Zeit, in ein Projekt einzutauchen, bis sie an dem Punkt angelangt ist, an dem sie wirklich sagen kann: «Jetzt bin ich so weit.»? Oder muss sie schon vorher veröffentlichen, da, wer nicht publiziert, einfach verschwindet?

Zudem führt dieses System zu Absurditäten: Je öfter ein in einer Fachzeitschrift publizierter Artikel nun von Kollegen zitiert wird, desto mehr steigt das Ansehen der Forscherin. Wenn ein Kollege aber einmal ihren Artikel referiert, legt er schon die Spur vor: Andere Forschende sehen die Referenz und übernehmen sie. Das ist deutlich effizienter, als wenn sie selbst alle Publikationen mit Bezug zum eigenen Forschungsthema lesen und die passenden Stellen zitieren. Der Matthäus-Effekt wirkt also auch bei Zitierungen: Neue entstehen mehr durch frühere als dadurch, dass der Artikel selbst gelesen und referenziert wird.

«Es gibt eine absurde Publikationsblase und einen Graben zwischen Ideal und Praxis.»

Diese Probleme sind bekannt. Deswegen gibt es zum Beispiel die sogenannten Dora-Prinzipien, die bei Anstellungen an Hochschulen beachtet werden sollen: Nicht wer in grossen Publikationen wie Nature oder Science veröffentlicht hat, soll Vorrang haben, sondern wer durch Inhalt überzeugt. Das ist ein erstrebenswertes Ideal, von dem die Praxis aber bisweilen weit entfernt scheint. Und es gibt weitere Versuche, etwa beim Schweizerischen Nationalfonds, der an einem neuen Format für die Lebsensläufe in den Fördergesuchen arbeitet. Doch räumt etwa Ambrogio Fasoli von der EPFL in unserem Fokus ein, dass viele Professoren noch immer am Impact Factor hängen und es kaum möglich ist, zu kontrollieren, wie sie ihre Forschenden rekrutieren. Und Rachel Grange von der ETH Zürich bekennt: «Ich sage immer: Qualität zählt, aber Quantität leider auch.»

Es gibt also eine absurde Publikationsblase und einen Graben zwischen Ideal und Praxis. Zeit für Horizonte, hinzuschauen! Zeit für die Entscheidungstragenden in der Wissenschaft, nicht nur zu reden, sondern zu handeln!