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Jasagt Natasha Abrahams

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Neinsagt Anika Thym
Im August 2017 veröffentlichte die australische Kommission für Menschenrechte die Ergebnisse einer nationalen Studie zu den Erfahrungen von Studierenden mit sexuellem Missbrauch und Belästigung an Hochschulen. Eine der schockierenden Erkenntnisse: Bei zehn Prozent der Master-Studierenden und Doktorierenden, die an Universitäten sexuell belästigt wurden, wurden die Übergriffe durch Dozierende oder Betreuungspersonen verübt.

Als Reaktion darauf wurden Untersuchungen zu problematischen Beziehungen zwischen akademischem Personal durchgeführt. Manche sind der Ansicht, dass eine Grenzüberschreitung kein Problem ist, wenn ihr zwei erwachsene Personen zustimmen. Aber: Professoren etwa haben einen wesentlichen Einfluss auf den Abschluss und die Forschungslaufbahn der Betreuten.

«Vielleicht ist jemand am Anfang einverstanden, dann aber aus Furcht vor den Folgen nicht in der Lage, die Beziehung zu beenden.»

Wenn Doktorierende Forschungsprojekte abbrechen, geben sie häufig das Verhalten der Betreuungsperson als wesentlichen Grund an. In manchen tragischen Fällen werden Doktorierende Opfer des unangebrachten Verhaltens ihrer Betreuungsperson und haben das Gefühl, es zulassen zu müssen, damit sie ihr Forschungsprojekt abschliessen können. In anderen Fällen ist jemand am Anfang einverstanden, dann aber aus Furcht vor den Folgen für die Karriere nicht in der Lage, die Beziehung zu beenden.

Wichtige Hochschulorganisationen erarbeiteten deshalb 2018 gemeinsame Grundsätze für eine respektvolle Betreuung. Diese anerkennen, dass eine sexuelle oder romantische Beziehung zwischen Betreuungspersonen und Studierenden oder Doktorierenden aufgrund des Machtgefälles nie zulässig ist. Die Grundsätze sind nicht verbindlich, die Universitäten haben auf dieser Grundlage aber eigene Richtlinien erarbeitet.

Opfer unangebrachten Verhaltens eines Vorgesetzten zu werden, ist eine isolierende und belastende Erfahrung. Falls die Geschichte schlecht endet, tragen die Studierenden die Folgen allein, auch dann, wenn sie der Beziehung zuerst zustimmten – es sei denn, dass ihre Universität sich dazu verpflichtet hat, ihre Studierenden zu unterstützen und solches Verhalten von Vorgesetzten nicht zu dulden.

Natasha Abrahams ist ehemalige Präsidentin des Council of Australian Postgraduate Associations (CAPA), des Dachverbands von Masterstudierenden und Doktorierenden in Australien.

Die Prinzipien zu respektvollen Betreuungsverhältnissen der australischen Universitäten betonen zu Recht, dass zwischen Doktorierenden und ihren Betreuungspersonen ein Machtverhältnis besteht, welches sexuellen Missbrauch begünstigt. Ich bin jedoch gegen ein grundsätzliches Sex-Verbot zwischen akademischem Personal auf verschiedenen Hierarchiestufen, wie es das Papier verlangt. Denn: Romantische Gefühle wird es immer geben, und die Herausforderung besteht vielmehr darin, angemessen damit umzugehen und Professionalität zu wahren. Ein Verbot von Sex und romantischen Beziehungen erhöht eher die Dunkelziffer von Missbrauchsfällen. Zudem: Warum sollte man einvernehmliche Liebesbeziehungen verbieten – auch wenn sie in dieser Konstellation sicher herausfordernd und heikel sind –, wenn das Problem doch im Missbrauch liegt?

«Ein Verbot von Sex und romantischen Beziehungen erhöht eher die Dunkelziffer von Missbrauchsfällen.»

Es müssen andere Handlungsfelder in den Blick rücken. Zum einen: Wie kann missbräuchliches Verhalten verhindert werden? Vorschläge sind hier Verhaltenscodizes und verpflichtende Antidiskriminierungstrainings für Personen mit Führungsfunktionen. Zum anderen: Wie können jene, die im Machtverhältnis prekär situiert sind, angemessen unterstützt werden, ohne dass ihnen Nachteile entstehen? Eine Lösung wäre die Erweiterung der Zahl möglicher Betreuungspersonen bei Doktorarbeiten, indem etwa auch Privatdozierende dafür zugelassen werden. Auch unabhängige Coaches haben sich bewährt. Zudem braucht es für alle bei Missbrauch Involvierten sichtbare Anlaufstellen, die die Opfer unterstützen und die Befugnis haben, angemessen einzuschreiten.

Schliesslich lässt ein Verbot informelle Kontexte, wie den gemeinsamen Restaurantbesuch von Professorin und Doktorand nach einem Vortrag, heikel erscheinen. Solche Kontakte sind jedoch für die wissenschaftliche Tätigkeit äusserst wertvoll und inspirierend. Sie einzuschränken, scheint mir der falsche Weg. Vielmehr sollten sowohl der respektvolle professionelle Umgang als auch die wertvollen wissenschaftlichen Kontexte gefördert werden.

Anika Thym ist Doktorandin in Geschlechterforschung an der Universität Basel und Vertretung in der Kommission für Chancengleichheit der philosophisch-historischen Fakultät.

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Jasagt Natasha Abrahams

Im August 2017 veröffentlichte die australische Kommission für Menschenrechte die Ergebnisse einer nationalen Studie zu den Erfahrungen von Studierenden mit sexuellem Missbrauch und Belästigung an Hochschulen. Eine der schockierenden Erkenntnisse: Bei zehn Prozent der Master-Studierenden und Doktorierenden, die an Universitäten sexuell belästigt wurden, wurden die Übergriffe durch Dozierende oder Betreuungspersonen verübt.

Als Reaktion darauf wurden Untersuchungen zu problematischen Beziehungen zwischen akademischem Personal durchgeführt. Manche sind der Ansicht, dass eine Grenzüberschreitung kein Problem ist, wenn ihr zwei erwachsene Personen zustimmen. Aber: Professoren etwa haben einen wesentlichen Einfluss auf den Abschluss und die Forschungslaufbahn der Betreuten.

«Vielleicht ist jemand am Anfang einverstanden, dann aber aus Furcht vor den Folgen nicht in der Lage, die Beziehung zu beenden.»

Wenn Doktorierende Forschungsprojekte abbrechen, geben sie häufig das Verhalten der Betreuungsperson als wesentlichen Grund an. In manchen tragischen Fällen werden Doktorierende Opfer des unangebrachten Verhaltens ihrer Betreuungsperson und haben das Gefühl, es zulassen zu müssen, damit sie ihr Forschungsprojekt abschliessen können. In anderen Fällen ist jemand am Anfang einverstanden, dann aber aus Furcht vor den Folgen für die Karriere nicht in der Lage, die Beziehung zu beenden.

Wichtige Hochschulorganisationen erarbeiteten deshalb 2018 gemeinsame Grundsätze für eine respektvolle Betreuung. Diese anerkennen, dass eine sexuelle oder romantische Beziehung zwischen Betreuungspersonen und Studierenden oder Doktorierenden aufgrund des Machtgefälles nie zulässig ist. Die Grundsätze sind nicht verbindlich, die Universitäten haben auf dieser Grundlage aber eigene Richtlinien erarbeitet.

Opfer unangebrachten Verhaltens eines Vorgesetzten zu werden, ist eine isolierende und belastende Erfahrung. Falls die Geschichte schlecht endet, tragen die Studierenden die Folgen allein, auch dann, wenn sie der Beziehung zuerst zustimmten – es sei denn, dass ihre Universität sich dazu verpflichtet hat, ihre Studierenden zu unterstützen und solches Verhalten von Vorgesetzten nicht zu dulden.

Natasha Abrahams ist ehemalige Präsidentin des Council of Australian Postgraduate Associations (CAPA), des Dachverbands von Masterstudierenden und Doktorierenden in Australien.

 


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Neinsagt Anika Thym

Die Prinzipien zu respektvollen Betreuungsverhältnissen der australischen Universitäten betonen zu Recht, dass zwischen Doktorierenden und ihren Betreuungspersonen ein Machtverhältnis besteht, welches sexuellen Missbrauch begünstigt. Ich bin jedoch gegen ein grundsätzliches Sex-Verbot zwischen akademischem Personal auf verschiedenen Hierarchiestufen, wie es das Papier verlangt. Denn: Romantische Gefühle wird es immer geben, und die Herausforderung besteht vielmehr darin, angemessen damit umzugehen und Professionalität zu wahren. Ein Verbot von Sex und romantischen Beziehungen erhöht eher die Dunkelziffer von Missbrauchsfällen. Zudem: Warum sollte man einvernehmliche Liebesbeziehungen verbieten – auch wenn sie in dieser Konstellation sicher herausfordernd und heikel sind –, wenn das Problem doch im Missbrauch liegt?

«Ein Verbot von Sex und romantischen Beziehungen erhöht eher die Dunkelziffer von Missbrauchsfällen.»

Es müssen andere Handlungsfelder in den Blick rücken. Zum einen: Wie kann missbräuchliches Verhalten verhindert werden? Vorschläge sind hier Verhaltenscodizes und verpflichtende Antidiskriminierungstrainings für Personen mit Führungsfunktionen. Zum anderen: Wie können jene, die im Machtverhältnis prekär situiert sind, angemessen unterstützt werden, ohne dass ihnen Nachteile entstehen? Eine Lösung wäre die Erweiterung der Zahl möglicher Betreuungspersonen bei Doktorarbeiten, indem etwa auch Privatdozierende dafür zugelassen werden. Auch unabhängige Coaches haben sich bewährt. Zudem braucht es für alle bei Missbrauch Involvierten sichtbare Anlaufstellen, die die Opfer unterstützen und die Befugnis haben, angemessen einzuschreiten.

Schliesslich lässt ein Verbot informelle Kontexte, wie den gemeinsamen Restaurantbesuch von Professorin und Doktorand nach einem Vortrag, heikel erscheinen. Solche Kontakte sind jedoch für die wissenschaftliche Tätigkeit äusserst wertvoll und inspirierend. Sie einzuschränken, scheint mir der falsche Weg. Vielmehr sollten sowohl der respektvolle professionelle Umgang als auch die wertvollen wissenschaftlichen Kontexte gefördert werden.

Anika Thym ist Doktorandin in Geschlechterforschung an der Universität Basel und Vertretung in der Kommission für Chancengleichheit der philosophisch-historischen Fakultät.