Umweltpsychologe Ulf Hahnel untersucht den Zusammenhang von Parteibindung und politischer Meinung. Foto: zVg

Ob in den USA jemand von der menschgemachten Klimakrise überzeugt ist oder nicht, kann praktisch an der Parteizugehörigkeit abgelesen werden. Laut einer Gallup-Umfrage von 2016 glaubten 75 Prozent der Demokraten, dass Effekte der globalen Erhitzung bereits sichtbar seien, bei den Republikanern waren es nur 41 Prozent. Dies, obschon 97 Prozent der ausgewiesenen wissenschaftlichen Expertinnen von einer menschgemachten Klimakrise und deren katastrophalen Auswirkungen auf die Menschheit überzeugt sind. Ulf Hahnel, Umweltpsychologe an der Universität Genf, wollte mehr darüber wissen, wie sich die Klimaskepsis von Parteieliten auf die Wähler überträgt und welche psychologischen Mechanismen dabei am Werk sind. In einem Forschungsteam hat er ein Sample von 176 demokratischen und 157 republikanischen Wählenden untersucht, die einen Monat vor den US-Wahlen vom 8. November 2016 und zwei Wochen danach an einer Befragung teilgenommen hatten.

«Wir unterliegen einem ständigen Drang zur Reduktion von Komplexität. Deshalb werden Ansichten der eigenen Gruppe gerne übernommen. Das entlastet uns.»

Die Auswertung zeigt erstaunlicherweise, dass die Befragten beider Parteien nach der Wahl des Republikaners Donald Trump positivere Emotionen gegenüber der Republikanischen Partei hatten. Gleichzeitig war die Akzeptanz der Fakten zum Klimawandel gesunken – auch bei den Demokraten. Die Emotionen für die Partei erwiesen sich dabei als Träger für die Einstellungsveränderung. «Unsere Ergebnisse bestätigen frühere Studien, wonach politische Zugehörigkeit und Identität bezüglich der Einstellung zum Klimawandel noch wichtiger sind als Bildung, Einkommen, Geschlecht oder Alter», fasst Hahnel zusammen. In den USA, Brasilien und Kanada sei dieser Effekt besonders ausgeprägt, doch er zeige sich auch in der Schweiz. Während der Abstimmung zum neuen Energiegesetz von 2017 wies Hahnel in einer Studie nach, dass die Akzeptanz des Atomausstiegs und die Förderung erneuerbarer Energien in erster Linie von der politischen Ideologie der Stimmenden abhängig war. Hahnel erklärt auch, weshalb politische Ideologie verlockend für die Meinungsbildung ist: «Wir unterliegen einem ständigen Drang zur Reduktion von Komplexität. Deshalb werden Ansichten der eigenen Gruppe – darunter die politische Partei – gerne übernommen. Das entlastet uns.» Dies gelte vor allem für komplexe Themen wie den Klimawandel, die für den Alltag vieler Menschen noch nicht genügend relevant seien, als dass sie sich vertieft mit den Fakten auseinandersetzen würden. «Studien zeigen ausserdem, dass die gezielte Diskreditierung von Wissenschaftlerinnen in Bezug auf Einstellungen zum Klimawandel sehr effektiv war.» Schliesslich unterlägen wir auch einem sogenannten Confirmation Bias, der dazu führe, dass wir unsere eigenen Einstellungen gerne durch gleichlautende Nachrichten und Meinungen bestätigen.

Die Zweifel an Fakten, die durch politische Vorbilder gesät werden, scheinen also stärker zu sein als die Fakten selbst. Hahnel sieht aber Möglichkeiten, um der zunehmenden Polarisierung entgegenzuwirken und die unterschiedlichen politischen Lager erfolgreicher gemeinsam anzusprechen. Die Kommunikation zum Klimawandel ziele nämlich meist stärker auf das Wertesystem von liberalen und weniger auf dasjenige von konservativen Bürgern und Bürgerinnen ab: «Durch eine ausgewogenere Kommunikation mit Einbezug von konservativen Werten wie Autorität, Loyalität und Bewahrung der Reinheit der Natur könnten beide politischen Gruppen zum Handeln gegen den Klimawandel bewegt werden.» Zudem spiele der Absender solcher Botschaften eine wichtige Rolle: Neutrale Vermittelnde, wie zum Beispiel Wissenschaftler, genössen von beiden Seiten mehr Akzeptanz, sagt Hahnel. «Das zeigt nicht zuletzt die öffentliche Debatte um die Covid-19-Krise, in der Forschende mit ihren Einschätzungen bei beiden Lagern Gehör finden.»