Melken birgt Ansteckungsrisiken. Diese können dank einer neuen Strategie verringert werden. | Bild: Keystone/René Ruis

Friedlich grasende Kühe auf der Alp – dieses Bild ist für viele mit traditionsreicher Kulturlandschaft und naturromantischer Idylle verbunden. Doch Fachleute aus der Agronomie und der Veterinärmedizin sehen in den Bergweiden auch ein erhöhtes Risiko für die Verbreitung des Erregers Staphylococcus aureus. Vor allem der sogenannte Genotyp B (GTB) ist in der Milchviehhaltung gefürchtet, weil er ansteckende Entzündungen am Euter auslöst. Schweizweit sind ungefähr zehn Prozent der Milchkuhherden davon betroffen.

Weniger und schlechte Milch

In Alpenkantonen, wo Kühe im Sommer aus unterschiedlichen Herden auf den Bergweiden zusammenkommen und Keime austauschen, wenn sie gemolken werden, sind sogar bis zu 70 Prozent der Kühe mit Staphylococcus aureus GTB infiziert. «Meistens sind die Entzündungen nicht sichtbar, die Euter sind weder gerötet noch geschwollen», sagt die Agrarwissenschaftlerin Carlotta Sartori von der Berner Fachhochschule. Aber weil kranke Kühe weniger und qualitativ schlechtere Milch liefern, sorgt der Erreger für beträchtlichen ökonomischen Schaden: Gemäss Schätzungen verliert die Schweizer Milchwirtschaft wegen des hartnäckigen Problemkeims gut 80 Millionen Franken pro Jahr.

Sartori hegt für die Milchkuhhaltung schon seit jeher eine Leidenschaft. Deshalb wollte sie für ihre Doktorarbeit, die sie unter der Leitung von Hans Ulrich Graber bei Agroscope in Liebefeld durchgeführt und an der ETH Zürich abgeschlossen hat, «unbedingt eine Fragestellung im Bereich der Milchproduktion bearbeiten». Das Resultat ihrer Forschungsanstrengungen ist eine neue molekularbiologische Methode, die eine spezifische Erbgutsequenz von Staphylococcus aureus GTB auch in sehr geringen Konzentrationen zuverlässig nachweisen kann. Und diese Methode kann auch bereits zur Sanierung von befallenen Milchviehherden angewendet werden.

Bisher mussten Tierärzte sterile Milchproben entnehmen und auf zeitintensive bakteriologische Verfahren zurückgreifen, um Entzündungen am Euter belegen zu können. «Der neue Test gibt rascher, einfacher und kosteneffizienter Auskunft», sagt Sartori. Damit erleichtert er die Durchführung von Sanierungsprogrammen, mit deren Hilfe ganze Milchproduktionsherden vom Erreger befreit werden können.

In einer Feldstudie betreuten Sartori und ihre Kolleginnen und Kollegen 19 über die ganze Schweiz verteilte landwirtschaftliche Betriebe. Regelmässige Untersuchungen der Milch ermöglichten es den Forschenden, jede einzelne Kuh einer bestimmten Melkgruppe zuzuweisen, denn die Reihenfolge beim Melken ist entscheidend: «Zuerst müssen die gesunden und erst am Schluss die infizierten Kühe gemolken werden, damit sich keine Infektionsketten bilden», sagt Michèle Bodmer von der Wiederkäuerklinik der Universität Bern.

Wider die Antibiotikaresistenz

Weil der neue Test zudem auch zweifelsfrei anzeigte, welche Kuh befallen war, konnten die Forschenden den infizierten Tieren gezielt Antibiotika verabreichen. «Wir wollten jeder Kuh eine Chance geben und haben deshalb auch ältere Kühen behandelt», sagt Sartori. Tatsächlich sprachen über 90 Prozent der Tiere auf die Therapie an, so dass nur wenige Kühe geschlachtet werden mussten. Dank der Melkreihenfolge, den gezielten Behandlungen und der täglich zwei Mal vorgenommenen Reinigung der Melkanlage waren innerhalb von neun Monaten alle Betriebe vollständig saniert.

«Zuerst müssen die gesunden und erst am Schluss die infizierten Kühe gemolken werden, damit sich keine Infektionsketten bilden.»Michèle Bodmer

Dieser Erfolg hat den Kanton Tessin bewogen, ein flächendeckendes Sanierungsprogramm zu starten. Bewähren sich die in der Pilotstudie erprobten Massnahmen auch in diesem grösseren Projekt, könnte sich die Schweizer Milchwirtschaft nicht nur eines hartnäckigen Keims entledigen, sie würde mittelfristig auch deutlich weniger Antibiotika einsetzen müssen – und damit das Risiko schmälern, dass sich in der Viehhaltung anitibiotikaresistente Keime bilden, sagt Bodmer.

Ori Schipper arbeitet bei der Krebsliga Schweiz und als freier Wissenschaftsjournalist.