Junge Männer: Den fetten Wagen will nur, wer glaubt, ihn sich einmal leisten zu können. | Bild: colourbox.com

Familie, Sicherheit, Einfluss, Toleranz, Glaube. Das sind zentrale Werte der westlichen Welt. Doch gewichtet sie jeder unterschiedlich. Warum, darüber streitet die Wissenschaft. Eine Seite sagt: Wir richten unsere Werte nach einem Mangel aus, wollen also, was uns fremd ist. Ein hoher Lebensstandard wäre dann insbesondere für Menschen wichtig, die mit wenig Geld aufgewachsen sind. Die andere Seite sagt: Menschen bleiben ihrem Wertekontext treu. Wer sich für reich hält, denkt und wertet auch deutlich materialistischer – weil es erreichbar ist.

Ein Team um die Soziologin Isabella Lussi stärkt nun die zweite Seite. Dafür haben die Forschenden 26 444 Schweizer Männer im Alter zwischen 18 und 21 Jahren befragt. Das Besondere: Die Studie wurde im Kontext der Rekrutierung zum Militärdienst erhoben, die für fast alle jungen Männer verpflichtend ist. Lussis Studie bildet also das Denken einer ganzen Generation Männer ab.

Erstmals in der Werteforschung hat Lussis Team sich zudem darauf konzentriert, ob Chancen zur Verwirklichung der Ziele bestehen, auf den sogenannten «Capability Approach». Lussi erklärt: «Ob man sich selbst als privilegiert oder benachteiligt sieht, hängt nicht nur von den verfügbaren Ressourcen, sondern auch der Bedeutung ab, die man diesen zuschreibt. Wir zeigen, wie die Wahrnehmung von individuell bedeutsamen Verwirklichungschancen die Werteentwicklung beeinflusst.» Ihre Ergebnisse sind eindeutig: Wer die Chance sieht, einen Wert zu verwirklichen und zu leben, hält ihn für erstrebenswerter. Dieses Ergebnis könnte Hilfestellung geben für eine zentrale Herausforderung unserer Zeit: die Integration von Geflüchteten. Bekommen Werte nur eine Bedeutung, wenn sie auch umgesetzt werden können, bedeutet das gemäss Lussi auch: «Menschen glauben erst an die Werte einer Gesellschaft, wenn sie zu ihr gehören. Und nicht umgekehrt.»