Viele Forschende achten wenig auf ihre Urheberrechte. Oft gehen diese an die Verlage über – ein Hindernis für Open Access. | Bild: Keystone/Gaetan Bally

Mit öffentlichen Geldern finanzierte Studien und Forschungsergebnisse sollen einem breiten Publikum unentgeltlich zur Verfügung stehen, wie der Grundsatz von Open Access (OA) gebietet. In der Schweiz laufen die Diskussionen dazu auf Hochtouren (vgl. Kasten «Wissen teilen»). Zufälligerweise wird derzeit auch das Urheberrecht (URG) revidiert mit dem Zeithorizont 2020. Dabei sollen auch die Interessen der Wissenschaft berücksichtigt werden. Seit November 2017 liegt der Gesetzesentwurf vor, doch nach einigem Hin und Her fehlt das Zweitverwertungsrecht, also das Recht auf ein kostenfreies elektronisches Zur-Verfügung-Stellen einer Originalpublikation und damit eine wichtige Grundlage für OA. In seiner Vernehmlassungsantwort zum URG schrieb zum Beispiel der Schweizerische Nationalfonds, dass OA ein gesetzlich vorgesehenes Zweitveröffentlichungsrecht bedinge.

«Über das Zweitveröffentlichungsrecht wird nur diskutiert, weil die Erstveröffentlichung nicht funktioniert.»Willi Egloff

In den meisten Fällen treten heute Forschende die Rechte an wissenschaftlichen Arbeiten an die Verlage ab. Falls die Autorinnen und Autoren ihre Publikationen trotzdem in einem Forschungsnetzwerk oder auf der eigenen Homepage veröffentlichen, verletzen sie die Urheberrechte der Verlage und machen sich strafbar. Sie können deshalb auf Unterlassung oder Schadenersatz verklagt werden. Gleiches gilt für die Universitäten, wenn sie Werke in ihre elektronischen Repositorien aufnehmen. Deshalb wird teilweise von der Publikation im Internet Abstand genommen, was nicht im Interesse der Wissenschaft und der Forschung ist.

Daniel Hürlimann, Assistenzprofessor an der Universität St. Gallen, der sich stark für die Zweitverwertung einsetzt und an einer Vernehmlassungseingabe mitgewirkt hat, ist enttäuscht. Durch den Verzicht auf die Verankerung des Zweitveröffentlichungsrechts im Urheberrecht werde die nationale Open-Access-Strategie gefährdet. Er ortet das Grundproblem mit dem Zweitveröffentlichungsrecht beim leichtfertigen Umgang mit dem Urheberrecht: «Viele wissenschaftliche Autoren treten ihre Rechte an den Verlag ab, ohne zu überlegen, was das bedeutet.» Dies geschehe, weil sich die Autoren nicht um ihre Rechte kümmerten oder weil diese ihnen nicht so wichtig seien. Theoretisch sei es zwar möglich, die Verträge mit den Verlagen anders auszugestalten. «Die Autoren wollen aber in erster Linie publiziert und zitiert werden», erklärt Hürlimann, «weshalb Vertragsdetails naturgemäss in den Hintergrund rücken.»

Verankerung im Obligationenrecht

Deshalb schlägt Hürlimann vor, im Obligationenrecht (OR) festzulegen, dass die Rechte immer beim Autor bleiben und er seine Werke auf eine Webseite hochladen kann. Für die nationale Open-Access-Strategie wäre ein Zweitveröffentlichungsrecht hilfreich, ist Hürlimann überzeugt, denn die Anliegen der Wissenschaft sollten im Gesetz besser berücksichtigt werden. In seiner Stellungnahme zur Revision des Urheberrechts, die er mit Florent Thouvenin eingereicht hat, wird die Forderung erhoben, neben einer breit gefassten Wissenschaftsschranke für das Text- und Data-Mining im URG das Zweitveröffentlichungsrecht im OR mit einem neuen Artikel gesetzlich zu verankern. Der Vorschlag: «Nicht auf den Verleger übertragen werden kann das Recht, einen mit öffentlichen Mitteln finanzierten Beitrag für eine wissenschaftliche Zeitschrift oder ein wissenschaftliches Sammelwerk unentgeltlich öffentlich zugänglich zu machen.» Auf diese Weise wäre sichergestellt, dass wissenschaftliche Publikationen interessierten Kreisen und der Öffentlichkeit kostenlos zur Verfügung stehen.

Eine andere Meinung vertritt der selbstständige Berner Anwalt und Urheberrechtsexperte Willi Egloff. Er ist kein Freund des Zweitveröffentlichungsrechts. Es sei sinnvoller, zuerst die Erstveröffentlichung zu regeln. «Über das Zweitveröffentlichungsrecht wird nur diskutiert, weil die Erstveröffentlichung nicht funktioniert», führt er aus. Die heutige Situation, in der die Verlage die Werke veröffentlichten, für das Lesen im Internet aber etwas verlangten, sei unhaltbar. Hier gelte es den Hebel anzusetzen, damit jeder auch im Internet unentgeltlich Zugang zu Forschungsergebnissen habe. Für Egloff ist klar, dass die Verlage ihre Geschäftsstrategie ändern müssen. «Dafür muss Überzeugungsarbeit geleistet werden.» Der Anwalt bezweifelt im Übrigen, dass die Verlage mit der heute gängigen Strategie viele zusätzliche Einnahmen generieren. Die Autoren erhielten ohnehin keine Tantiemen.

Ein Text, mehrere Versionen

Egloff sieht noch weitere Problemfelder: Wenn ein Zweitveröffentlichungsrecht eingeführt würde, hätte das zur Folge, dass zwei Textversionen im Umlauf wären. «Diese Situation hätte negative Konsequenzen beim Zitieren von wissenschaftlichen Texten», ist er überzeugt. Hürlimann widerspricht: «Man würde dieselbe Version verwenden wie bei der Erstveröffentlichung.» Egloff hält auch vom Vorschlag im Gesetzesentwurf für die Revision des Urheberrechts nicht viel, wonach bei einer Publikation in einem ausländischen Verlag zwingend schweizerisches Recht gelten muss. Diese Forderung gehe ins Leere und interessiere die Verlage im Ausland nicht. Man müsse sich deutlich vor Augen halten, dass die Autoren aus Gründen der wissenschaftlichen Karriere anstrebten, in renommierten Zeitschriften wie Nature oder Science publizieren zu können und im Erfolgsfall die Bedingungen des Verlags zu akzeptieren hätten. Zu diesen Bedingungen gehört auch das auf den Verlagsvertrag anwendbare ausländische Recht. Für Hürlimann ist es hingegen unerheblich, ob sich die Verlage im Ausland dafür interessieren: «Es wäre zulässig, die Texte von Autoren an Schweizer Universitäten online zugänglich zu machen.»

Mit Bestimmtheit sei, so die feste Überzeugung von Egloff, die Open-Access-Strategie nicht von einem Zweitveröffentlichungsrecht abhängig. «Der Bund soll besser bei sich selbst und bei allen von ihm finanziell unterstützten Organisationen dafür sorgen, dass Daten und Publikationen tatsächlich zugänglich gemacht werden.» Bis es soweit ist, schlägt Egloff einen pragmatischen, aber umstrittenen Lösungsansatz vor: Wissenschaftliche Arbeiten sollten einfach auf den Homepages der Institute und auf den privaten Websites der Autoren publiziert werden. Egloff sagt dazu: «Mir ist kein Fall bekannt, in dem ein Verlag interveniert hätte.»

Auch wenn im Gesetzesentwurf für die Revision des Urheberrechts der Bundesrat das Thema der Zweitveröffentlichung nicht aufnimmt, will er die Diskussionen auf europäischer Ebene aufmerksam weiterverfolgen, «um einen allfälligen Handlungsbedarf auszuloten», so die Vernehmlassungsantwort. Ein wichtiger Punkt für die Wissenschaft hat es hingegen in den Entwurf geschafft: Die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke für Text- und Data-Mining ohne die Zustimmung der Autoren und ohne jegliches Entgelt wäre zugelassen. Das nächste Wort zur Gesetzesrevision haben die eidgenössischen Räte.

Michael Baumann ist freier Journalist in Zürich.

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Mit öffentlichen Mitteln finanzierte Forschungsergebnisse sind ein öffentliches Gut und sollten daher elektronisch öffentlich und kostenlos zugänglich sein: Das ist der Kerngedanke von Open Access (OA). Das Thema wird international seit Jahren heftig diskutiert, unter anderem auch in Deutschland und den Niederlanden. In der Schweiz wurde im Frühjahr 2017 die Nationale Open-Access-Strategie verabschiedet. Diese will ab 2024 öffentlich geförderte Forschung OA zugänglich machen. Der SNF unterstützt dies, hat für sich selber jedoch das Ziel gesetzt, dass schon 2020 sämtliche aus seiner Förderung resultierenden Publikationen OA verfügbar sein müssen.