Bildungsforscherin Ursula Renold hat ihre Karriere mit einer KV-Lehre bei einer Bank begonnen. | Foto: zVg

Im März 2023 lehnte der Ständerat den Titel «Professional Bachelor» für Höhere Fachschulen (HF) ab. Die verweigerte Angleichung des tertiären Abschlusses für diplomierte Berufsleute an den der Universitäten und Fachhochschulen führte bei vielen zu Entrüstung. Nicht so bei Ursula Renold, Professorin für Bildungssysteme an der ETH Zürich.

Ursula Renold, der Ständerat hat die Einführung eines Professional Bachelors für die HF abgelehnt. Hat sich die Hochschullobby die Konkurrenz erfolgreich vom Hals geschafft?

Nein, das denke ich nicht. Auch der Bundesrat argumentierte, dass der Professional Bachelor ein Fremdkörper im Schweizer Bildungssystem wäre. Der Abschluss an einer HF ist ein tertiärer Zweitabschluss nach einer erfolgreichen Berufslehre. Der Bachelor gilt als beruflicher Erstabschluss. Es wäre schade, wenn die hohe praktische Expertise der Absolventinnen international mit einem akademischen Abschluss verwechselt würde.

«Es wäre schade, wenn die hohe praktische Expertise der Absolventinnen international mit einem akademischen Abschluss verwechselt würde.»

Weshalb haben Deutschland und Österreich diese Bezeichnung eingeführt?

Weil sie vermeintlich das Prestige dieser Abschlüsse anheben wollen. Es gibt aber keine Evidenz, dass der Titel Professional Bachelor einen Vorteil bringt. Im Gegenteil: Er führt zur Titelinflation. Wenn die Abschlüsse nicht mehr klar sind, führen die Firmen einfach ihre eigenen Assessments ein.

Was bringen die Titel den Unternehmen?

Zum Beispiel gibt es drei Abschlüsse für Betriebswirtschaft in der Schweiz: von der Universität, von der Fachhochschule und der HF. Unsere Forschung hat gezeigt, dass die KMU meistens HF-Betriebswirte einstellen, weil sie kein genügend breites Aufgabenspektrum für akademisch Ausgebildete anbieten können. Grossbetriebe aber suchen alle drei Sorten. Ein Professional Bachelor bringt da nur Konfusion.

Aber das Durcheinander kreieren doch auch die Universitäten mit ihren CAS-, MAS- und DAS-Abschlüssen.

Ja, genau. Das ist wie der Professional Bachelor auch eine Erfindung aus dem deutschsprachigen Raum. Zum Beispiel beim Master of Advanced Studies oder MAS wird dann oft einfach das «of Advanced Studies» weggelassen, und dann ist nicht klar, welche Art von Master jemand absolviert hat.

«Eine Personalchefin in England kann den Wert mehrerer Jahre Arbeitserfahrung, die man bei einem HF-Abschluss hat, sehr gut einordnen.»

Wie könnte man dem HF-Abschluss zur internationalen Anerkennung verhelfen?

Man muss die Personalchefinnen der internationalen Firmen in der Schweiz aufklären. Und in den Diplomen braucht es das Transcript of Record oder Diploma Supplement, das erklärt, wie der Bildungsabschluss im europäischen Rahmen einzuordnen ist. Eine Personalchefin in England kann den Wert mehrerer Jahre Arbeitserfahrung, die man bei einem HF-Abschluss hat, sehr gut einordnen. Er liegt zudem auf der gleichen europäischen Bildungsstufe wie ein akademischer Bachelor.