Ob die Behörden den Asylbewerbern glauben, hat viel mit der Kultur in den Ämtern zu tun. | Bild: Keystone/Aram Karim

Die allermeisten negativen Asylentscheide in der Schweiz werden mit «fehlender Glaubhaftigkeit» der Gesuchstellenden begründet. Auffällig: Diese Quote ist über Jahre konstant, unabhängig davon, woher die Asylsuchenden stammen oder wie viele insgesamt Asyl beantragen. Dieses Phänomen hat ein Forschungsteam rund um Sozialanthropologin Julia Eckert von der Universität Bern untersucht. Dabei haben sie herausgefunden, dass der «institutionelle Habitus» eine entscheidende Rolle im Asylverfahren spielt. «Das ist eine bestimmte Art zu denken, zu fühlen, wahrzunehmen und zu handeln, die man durch die Sozialisierung innerhalb einer Institution entwickelt», erklärt Laura Affolter, die soeben ihre Dissertation zum Thema abgeschlossen hat. Bezogen auf das Staatssekretariat für Migration, in dem Affolter über zwei Jahre hinweg geforscht hat, bedeutet das: «Hier herrscht eine Misstrauenskultur. Eine kritische Einstellung gegenüber Asylsuchenden wird als professionell wahrgenommen.» Mitarbeitende verinnerlichen bestimmte Muster und Handlungsziele – unabhängig von ihren persönlichen Wertvorstellungen. So werden gewisse Fragetechniken angewendet, die Gesuchstellende in Widersprüche verwickeln.

Dass ausgerechnet die Glaubhaftigkeit im Asylverfahren so entscheidend ist, liegt laut Affolter vor allem daran, dass es schwierig ist, gegen diesen Artikel Rekurs einzulegen. Und: «Indem man die Glaubhaftigkeit von Asylsuchenden in Frage stellt, gibt man ihnen die Verantwortung für die Ablehnung: Sie sind dann praktisch selber schuld am Entscheid», sagt Affolter.

Ziel des Projekts war primär, die Entscheidungsprozesse zu verstehen. Eine konkrete Handlungsempfehlung haben die Forschenden nicht abgeleitet. «Wir sind gern bereit, mit der Behörde unsere Ergebnisse zu diskutieren», sagt Julia Eckert.

Astrid Tomczak