Die weissen Fäden der Bodenpilze wachsen um die Wurzeln herum und bilden eine Mykorrhiza (Pilzwurzel). An den Kontaktstellen findet ein Tausch von Nährstoffen statt. | Foto: Shutterstock

Gemeinsam sind sie stark: Bestimmte Pilze gehen mit Pflanzen über das Wurzelgeflecht symbiotische Beziehungen ein. Ihre enge Verbindung kann im Kampf gegen den Klimawandel hilfreich sein. Die Symbiose wurde erstmals vor rund 140 Jahren vom deutschen Biologen Albert Bernhard Frank beschrieben. Als er herausfinden wollte, ob sich auch in Preussen Trüffel züchten lassen, stellte er fest, dass der unterirdische Teil dieser Pilze so eng mit den Baumwurzeln verbunden ist, dass sie zusammen eine Art eigenes Organ bilden. Frank nannte dieses Organ Mykorrhiza, nach dem griechischen Wort «mykes» für Pilz und «rhiza» für Wurzel.

Seither wurde die Bedeutung dieser engen Verbindung, die bereits mit den ersten Pflanzen vor mehreren Millionen Jahren entstanden ist, in Tausenden von wissenschaftlichen Publikationen bestätigt. Vermutlich ist Mykorrhiza die am weitesten verbreitete und wichtigste Form der Symbiose in den Ökosystemen dieser Welt. Ihre Vielfalt ist zudem enorm, und die Pilzarten haben sich parallel zur Evolution der Pflanzen immer weiter spezialisiert.

Die Böden werden per Sämaschine geimpft
Mykorrhiza-Pilze können in Form von Bodensubstrat oder Granulat in den Boden geimpft werden. Mit Versuchen wird auch geprüft, ob sie sich den Kulturen als Dünger hinzufügen lassen. Die sogenannte Inokulation erfolgt mit Maschinen oder – wegen des hohen Aufwands meist nur im Rahmen wissenschaftlicher Arbeiten – von Hand. Laut Marcel van der Heijden von Agroscope und der Universität Zürich lässt sich das Animpfen von ganzen Kulturen mit Sämaschinen oder durch die Platzierung der Inokulate unter den keimenden Samen mit moderaten Kosten vornehmen. Der Forscher hat gerade ein neues Projekt über das Potenzial von Bodenimpfungen für die landwirtschaftliche Produktion lanciert, in dem er Werkzeuge für die Praxis entwickeln und testen möchte.

Wie Martina Peter, Gruppenleiterin an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL), erklärt, gibt es zwei Haupttypen von Mykorrhizen: Bei der Endomykorrhiza dringt der Pilz in die Wurzeln ein.

Sie ist besonders in der Landwirtschaft und für die Obstbäume wichtig. Von der Ektomykorrhiza profitieren sowohl in den hiesigen als auch in den nördlichen (borealen) Wäldern vor allem Nadelbäume und die sogenannten Fagales, das sind etwa Buchen, Eichen und Birken. Über 2000 Arten und fast ein Drittel der mit blossem Auge sichtbaren Fruchtkörper stammen von Pilzen, die eine Mykorrhiza eingehen. Dazu gehören unter anderem Trüffel, Maronenröhrling, Frauentäubling, Edelreizker, Trompetenpfifferling sowie giftige Pilze wie der Fliegenpilz und der Grüne Knollenblätterpilz.

Puffer gegen Trockenheit

«80 Prozent der Landpflanzen leben in Symbiose mit Bodenpilzen », sagt Marcel van der Heijden, der bei Agroscope, der landwirtschaftlichen Forschungsanstalt des Bundes, und an der Universität Zürich Pflanzen-Boden-Interaktionen untersucht. Die Pilze erhalten dabei Zucker und Aminosäuren, die von den Pflanzen durch Fotosynthese produziert werden. Im Gegenzug versorgen sie die Pflanzen mit Wasser und Nährstoffen wie Stickstoff und Phosphor. «Das ist für die Pflanzen sehr wertvoll, gerade unter Stressbedingungen, zum Beispiel bei Angriffen durch Pathogene oder bei Hitze, Trockenheit und Schadstoffbelastungen.»

Martina Peter vergleicht die Mykorrhiza mit einer Art lebendem Puffer: «Bei Experimenten in sehr trockenen Waldstücken im Wallis haben wir in Hitze- und Trockenperioden markante Veränderungen der Pilzgesellschaften beobachtet. Einige Arten verschwinden, andere halten stand und breiten sich aus.» Die Auswirkungen von Hitze und Trockenheit auf die Bäume würden gemildert. Die Veränderungen vollziehen sich schnell und sind vermutlich reversibel. Diese Reaktionen der Mykorrhiza werden laut Van der Heijden jedoch längst nicht alle Ökosysteme vor zunehmend extremen Bedingungen retten können. Dennoch stärken sie die Widerstandskraft der Pflanzengemeinschaften, reduzieren den Stress für die Pflanzen und stabilisieren die Ökosysteme.

«Es ist eine natürliche Art der Düngung, bei der keine chemischen Substanzen eingesetzt werden müssen.» Marcel van der Heijden

Die Idee, diesen natürlichen Trumpf zu nutzen, liegt auf der Hand. Indem der Boden mit bestimmten Pilzen angeimpft wird, soll die Widerstandskraft bei Trockenheit und Hitze unterstützt werden. In der Schweiz wurden bereits über 100 vielversprechende Mykorrhiza-Pilzarten isoliert und verschiedene Feldversuche lanciert. Das Animpfen der Gemeinschaft der Mikroben im Boden mit Endomykorrhiza- Pilzen sei «ein wertvolles Werkzeug für die Landwirtschaft», meint Van der Heijden. Es bereichert nicht nur den Boden und macht ihn widerstandsfähiger gegen Stress, sondern trägt auch zur Kohlenstoffbindung bei, eignet sich zudem für den biologischen Anbau und fördert damit die Biodiversität der Ökosysteme, was wiederum für widerstandsfähige Böden und Pflanzen von unschätzbarem Wert ist. «Es ist eine natürliche Art der Düngung, bei der keine chemischen Substanzen eingesetzt werden müssen, die im Übrigen die Pilznetzwerke schwächen.»

Die Grenzen der Symbiose Stickstoffhaltige Rückstände aus der landwirtschaftlichen Düngung und die Stickoxidemissionen des Autoverkehrs sind gefährliche Feinde der symbiotischen Pilze. «In Wäldern und auf natürlichen Böden haben sich Pflanzen und Pilze an niedrige Stickstoffkonzentrationen angepasst», erklärt Peter. Wenn die Böden zu stickstoffreich sind, investieren die Bäume eher in die oberen Bereiche und produzieren weniger Zucker für Wurzeln und Pilze. Dies kann den Pilzen die Lebensgrundlage entziehen. Wo dies der Fall ist, geht die Vielfalt der Pilzgesellschaften deshalb zurück, gewisse Arten sterben ab und werden nicht mehr durch andere ersetzt. Ihre Pufferfunktion gegenüber Stress wird dadurch gemindert.

Zu rasante Veränderungen

Doch auch die Impfung mit den Pilzen hat ihre Tücken: «Ist es nicht gefährlich, in den Reichtum des Bodens einzugreifen? », fragt sich Peter. Gerade im Wald? «Eigentlich sollte man idealerweise auf die Widerstandskraft der Natur vertrauen. Denn wenn man ein Problem zu lösen versucht, erzeugt man möglicherweise ein anderes.» Aber: «Die Veränderungen durch die Klimaerwärmung sind rasant, und wir sehen bereits, dass sich Bäume wie die Buche vermutlich nicht rechtzeitig anpassen können.»

Beiden Forschenden ist es deswegen ein Anliegen, die Mykorrhiza-Pilze und ihre Eigenschaften weiter zu analysieren. Ziel dabei ist es, sie selbst bestmöglich zu erhalten, sodass sie wiederum zur Rettung von Nutzpflanzen und Bäumen beitragen können. «Solange sie überleben, können sich besser angepasste Arten entwickeln, die die Pflanzen unterstützen», schliesst Peter.