Praktisch für unterwegs: Dank organischer Elektronikbauteile lassen sich leichte und flexible Displays herstellen. | Bild: U.S. Army RDECOM/Wikimedia Commons

Die Möglichkeiten scheinen fantastisch: Mit durchsichtigen organischen Solarzellen liesse sich rund 40 Prozent des Energiebedarfs der USA decken, schrieb der US-Materialwissenschaftler Richard Lunt Ende 2017 in einem vielbeachteten Paper. Er rechnete mit bis zu sieben Milliarden Quadratmetern an Fensterflächen, die in den USA mit den neuartigen Bauteilen bestückt werden könnten. Die von Lunt entwickelten organischen Solarzellen in Fenstergrösse, die sichtbares Licht durchlassen und nur UV- und Nahinfrarotlicht absorbieren, erreichen inzwischen einen Wirkungsgrad von zehn Prozent. Diese Werte liegen noch deutlich unter jenen von klassischen Solarzellen, die unter Laborbedingungen Wirkungsgrade um die 20 Prozent aufweisen. Doch der Abstand schrumpft, und der kommerzielle Durchbruch rückt auch für organische Solarzellen näher.

Heute noch basieren die meisten elektronischen Bauteile auf Silizium. Doch mit dem anorganischen Halbmetall stossen Entwickler allmählich an Grenzen, was die Effizienz von Geräten und das Design angeht. Dagegen schlummert in Elektronik aus organischen Polymeren ein enormes Potenzial, denn sie können extrem dünn, biegsam und transparent hergestellt werden. Diese sogenannten konjugierten Polymere haben eine spezielle Elektronenverteilung, können darum Licht absorbieren und emittieren und Strom leiten. «Das Spannende an ihnen ist die Möglichkeit, ihre Eigenschaften auf der molekularen Ebene zu verändern», sagt Frank Nüesch, Physiker an der Empa in Dübendorf. Sie lassen sich mit Farbstoffen, Nanoteilchen oder Salzen vermischen und bieten den Forschenden somit unendlich viele neue Möglichkeiten in ihrem Einsatzgebiet.

«Stellen Sie sich ein Fenster vor, das tagsüber Energie erzeugt und sich nachts in eine Lampe verwandelt.»Renana Gershoni-Poranne

Prinzipiell lassen sich aus organischen Polymeren Solarzellen, Leuchtdioden, Transistoren, Sensoren, Antennen und elektronische Schaltkreise machen. «Stellen Sie sich ein Fenster vor, das tagsüber Energie erzeugt und sich nachts in eine Lampe verwandelt, oder ein Schiebedach auf einem Auto, das eine interne Batterie versorgt», sagt die Chemikerin Renana Gershoni-Poranne von der ETH Zürich. Sie untersucht leitfähige Polymere mit dem Ziel, bisher unbekannte Verbindungen mit neuartigen Eigenschaften zu entwickeln. Schon heute gibt es zum Beispiel Materialien, die sich schnell und billig auf einen beliebigen glatten Untergrund aufdampfen oder sogar als Tinte drucken lassen, etwa als Blätter oder Blumen. «Grossflächige Leuchtelemente, die zu einer angenehmeren Art der Beleuchtung führen, sind ebenso denkbar wie Sensorik für die digitale Gesellschaft und das Internet der Dinge», sagt Nüesch.

Lange Zeit war eines der grössten Probleme der Wirkungsgrad der organischen Bauteile. Mittlerweile aber haben Forschende effiziente Leuchtdioden entwickelt oder organische Solarzellen, die im Labor einen Wirkungsgrad von mehr als 17 Prozent aufweisen. Auch bei der Haltbarkeit gibt es Verbesserungen. Ungeschützt bleichen die Polymere rasch im Licht aus und verlieren ihre Funktion. Eine Lösung ist, die Bauteile in Glas zu verkapseln. So besitzen heute bereits 60 Prozent aller Handybildschirme durch Glas geschützte, sparsame OLEDs.

Konkurrenzkampf in der Fotovoltaik

Schwieriger ist es, faltbare Displays für mobile Geräte herzustellen. Ein erstes solches Display, das das chinesische Unternehmen Huawei 2019 auf den Markt brachte, musste zurückgezogen werden, weil es nicht belastbar genug war. Das Falten ist eine Herausforderung, weil dafür die übliche leitfähige und transparente Schicht, wie sie heutige Handys bedeckt, zu spröde ist. Eine mögliche Lösung haben Forschende kürzlich in einem EU-Projekt entwickelt, berichtet Nüesch. So könnten sich Elektroden aus Kohlenstoff-Nanoröhrchen eignen.

Die Entwicklung marktfähiger Produkte bleibt dennoch anspruchsvoll. So kämpfen Forschende etwa in der Fotovoltaik mit der Konkurrenz von Solarzellen aus Perowskiten. «In diesen Bereich fliessen derzeit viele Forschungsgelder, zu Lasten der organischen Fotovoltaik», sagt Nüesch. Doch bei Bauten, in denen Ästhetik eine wichtige Rolle spielt, dürften sich organische Solarzellen künftig etablieren.