So einfach scheint das Rezept: Frauen mögen lustige Männer, also setzen diese auf Spässe. Ob das immer gelingt? | Foto: Dan Cermak

Wenn Sie an eine Person denken, die Sie für besonders lustig halten, wer fällt Ihnen da als Erstes ein: ein Mann oder eine Frau? In einer Metaanalyse aus dem Jahr 2019 untersuchten der israelische Anthropologe Gil Greengross und der amerikanische Psychologe Geoffrey Miller 28 Studien mit insgesamt mehr als 5000 Teilnehmenden und kamen zum Schluss, dass Männer im Schnitt über eine «leicht ausgeprägtere Fähigkeit zur Humorproduktion» verfügen.

Die meisten der analysierten Forschungsarbeiten waren nach einem ähnlichen Schema abgelaufen: Die teilnehmenden Männer und Frauen mussten Sprechblasen in Cartoons ausfüllen oder Bilder mit lustigen Unterschriften versehen. Die Ergebnisse wurden dann von einer gemischtgeschlechtlichen Jury bewertet und nach Lustigkeit sortiert – ohne dass die Jurymitglieder wussten, ob die Witze von einem Mann oder einer Frau stammten. Die Männer gewannen.

«Zu Humor gehört auch die Fähigkeit, mit den Widrigkeiten des Lebens gut umgehen und über sich und seine Missgeschicke lachen zu können.»Willibald Ruch

Willibald Ruch, der seit über 40 Jahren zum Thema Humor forscht und an der Universität Zürich die Fachrichtung Persönlichkeitspsychologie und Diagnostik leitet, relativiert diesen Befund: «Humor umfasst viel mehr als die Produktion von Witzen und Pointen. Auch Selbstironie und Situationskomik zählen zum Beispiel dazu. Oder grundsätzlich die Fähigkeit, mit den Widrigkeiten des Lebens gut umgehen und über sich und seine Missgeschicke lachen zu können. Hier spielt nicht das Geschlecht, sondern die Persönlichkeit die entscheidende Rolle.»

Sein Team hat die gesamte peer-reviewte wissenschaftliche Literatur zu Humor und geschlechtsspezifischen Unterschieden aus den Jahren 1977 bis 2018 gesichtet und ausgewertet. Resultat: Sowohl beim Verständnis von Humor als auch bei den Vorlieben für bestimmten Humor finden sich kaum Differenzen. Unterschiede gibt es vor allem bei der Produktion von aggressivem Humor wie etwa Zynismus und Sarkasmus und in geringerem Masse bei der kontextfreien Kreation von Witzen und Pointen. Wie bei Greengross und Miller schnitten da die Männer besser ab. Auch investieren diese mehr in die Darbietung, die humoristische Performance.

Stereotypen wirken bis in den Witz

Die Auswertung von Ruchs Team zeigt zudem, dass Frauen bei Männern die Fähigkeit, Humor zu produzieren, mehr wertschätzen als deren Empfänglichkeit für Humor, bei den Männern ist es genau umgekehrt. Diese Präferenzen entsprechen dem Stereotyp des lustigen Mannes und der lachenden Frau, das als selbsterfüllende Prophezeiung wirken könnte.

Das legen etwa die gross angelegten Studien von Paul McGhee nahe. Der amerikanische Verhaltenspsychologe untersuchte in den 1970er-Jahren, wie sich der Humor von Jungen und Mädchen zwischen Kindergartenzeit und Schuleintritt in unterschiedliche Richtung entwickelte: Jungen waren die aktiven Scherzkekse und Mädchen kicherten über sie.

Beide Geschlechter bekommen ab Kindergartenzeit immer stärker die Anforderungen der Geschlechterrollen zu spüren: Buben kommen mit ihren Spässen besser an als witzelnde Mädchen.

McGhee interpretierte seine Befunde so, dass beide Geschlechter ab der Kindergartenzeit immer stärker die Anforderungen der Geschlechterrollen zu spüren bekommen: Die Buben kamen mit ihren Spässen besser an als die witzelnden Mädchen. Also bauten sie ihr Talent weiter aus, probierten neue und schärfere und damit oft aggressivere Gangarten des Humors. Neuere Studien etwa der deutschen Psychologin Marion Bönsch-Kauke deuten jedoch darauf hin, dass die geschlechterspezifischen Differenzen bei Kindern heute weniger stark ausgeprägt sind.

Greengross und Miller erklären die geschlechterspezifischen Unterschiede hingegen mit der Evolution: Demnach kontrollieren die Frauen den Sex, und die Männer müssen sich mächtig ins Zeug legen, um aufzufallen und ihre «guten Gene» zu präsentieren. Diese Begründung ist allerdings umstritten. Gemäss derselben These soll Humor auch auf Charaktereigenschaften wie zum Beispiel Intelligenz und Kreativität hinweisen. Auf diese Verbindung deuten frühere Forschungsarbeiten von Miller und Greengross: In einer Untersuchung mit 400 Studierenden konnten sie zeigen, dass Intelligenz mit der Fähigkeit, Witze zu produzieren, zusammenhängt – wobei hier mit Intelligenz der gewiefte Umgang mit Sprache gemeint ist und mit Witz die Produktion von lustigen Cartoon-Pointen.

Vorurteile bestimmen die Deutung des Humors

Die evolutionsbiologische Deutung hat auch in den Arbeiten des Luzerner Neurobiologen Pascal Vrticka Gewicht. Lachen über einen Witz oder eine lustige Situation folgt einem zweistufigen Prozess: Bestimmte Hirnregionen für logisches Denken nehmen eine Unstimmigkeit wahr, wenn diese aufgelöst wird, treten Belohnungs- und Emotionszentren in Aktion, es wird also Vergnügen ausgelöst. Vrticka hat gemeinsam mit einem Team der Stanford-Universität entdeckt, dass die Emotionszentren im Gehirn von Mädchen bei lustigen Szenen in einem Film viel stärker aktiviert werden als bei den Jungen, deren Gehirn wiederum stärker auf den Verlauf der Geschichte reagierte.

Diese Beobachtung stimmt mit früheren Entdeckungen des Teams bei Untersuchungen mit Frauen und Männern überein. Vrticka vermutet, dass sich das Gehirn von Frauen auf die Bewertung von Humor spezialisiert haben könnte, während das Gehirn von Männern verstärkt darauf ausgerichtet sein könnte, Humor zu produzieren – was wahrscheinlich mit der «sexuellen Selektion» zusammenhänge.

Bei Männern wird Humor als Zeichen von Selbstsicherheit gelesen, bei Frauen dagegen oft als Ausdruck von Unsicherheit.

Die Literaturanalyse von Willibald Ruch stellte ausserdem Unterschiede bei der Verwendung von Humor fest, insbesondere am Arbeitsplatz: Frauen in Führungspositionen etwa geben sich dort im Schnitt etwas nüchterner als ihre männlichen Kollegen. Aus nachvollziehbaren Gründen: So zeigt eine aktuelle Studie der Universität Arizona, dass Kaderfrauen, die bei einer Präsentation hin und wieder eine lustige Bemerkung machen, von den Studienteilnehmenden (Frauen und Männer), denen die Präsentation in einem Video vorgeführt wurde, als weniger kompetent und weniger führungsstark eingeschätzt werden als «humorlose Frauen».

Männer in Führungspositionen hingegen gewinnen mit denselben Witzen an Ansehen und Souveränität. Den möglichen Grund sehen die Autorinnen der Studie in den bestehenden Vorurteilen: Männern werde in beruflichen Angelegenheiten immer noch mehr Kompetenz zugesprochen, sie hätten diesbezüglich eine Art Vertrauensvorsprung, der sich wiederum in der Deutung des Humors spiegle: Bei Männern werde Humor als Zeichen von Selbstsicherheit gelesen, bei Frauen dagegen oft als Ausdruck von Unsicherheit.

#MeToo zeigte schädliche Seite lustiger Sprüche

In bestimmten Fällen kann Humor aber auch Männern schaden. Jamie Gloor, BWL-Assistenzprofessorin an der Universität St. Gallen, wollte herausfinden, ob positiver Humor helfen kann, zwischengeschlechtliche Barrieren und Ängste abzubauen, die in der Post-#MeToo-Ära verstärkt am Arbeitsplatz auftreten und die Karrierechancen von weiblichen Talenten schmälern, weil Männer Anschuldigungen befürchten. Das internationale Forschungsteam um Jamie Gloor liess Kandidatinnen und Kandidaten einen vorgefertigten harmlosen Witz in ihre Bewerbungsvideos einstreuen und die Bewerbenden von 1189 Personalverantwortlichen bewerten.

Dabei zeigte sich, dass positiver Humor tatsächlich ein Türöffner sein kann, für Frauen und für Männer. In Unternehmen aber, die in der Vergangenheit Probleme mit sexueller Belästigung hatten, wurden die witzelnden Männer von den Personalchefinnen negativ beurteilt. «Die Witzeleien erweckten bei ihnen den Eindruck von schädlichem Potenzial», erklärt Gloor. Der Grund: Sexuelle Belästigungen würden häufig durch Witze begangen. Ob #MeToo zu einer grundsätzliche Umdeutung des männlichen Humors führt und die entsprechenden Praktiken verändert, bleibt offen.