Wegen des Moratoriums kann gentechnisch veränderter Weizen nur auf kleinen Forschungsfeldern angebaut werden, wie hier in Pully (VD), geschützt durch Netze. | Foto: Dominic Favre/Keystone

Wenn es bei uns einfach nur wärmer werden würde, könnten die Auswirkungen auch fantastisch sein: Olivenhaine, Orangenplantagen oder Teesträucher am Fuss der Alpen zum Beispiel. Annelie Holzkaemper vom Kompetenz-zentrum für Agrarforschung des Bundes, Agroscope, bestätigt: «Wir könnten Sorten verwenden, die derzeit in der Schweiz nicht gedeihen, zum Beispiel Rebsorten, die hohe Temperaturen mögen.»

Aber die Forscherin im Bereich Klimarisiken und Anpassungsmöglichkeiten kommt rasch zurück auf den Boden der Realität: «Hitzestress und veränderte Niederschlagsmuster stellen eine zunehmende Bedrohung für viele Kulturpflanzen dar.» So ist zu erwarten, dass der Regen im Winter und Frühling zunimmt und dagegen im Sommer und Herbst, wenn er von den Pflanzen am dringendsten benötigt wird, abnimmt.

«Man könnte eigentlich von der Erwärmung profitieren – vorausgesetzt, es gibt keine extremen Hitze- und Dürreperioden.»Annelie Holzkaemper

Was tun? «Eine Möglichkeit, die wir in den letzten Jahren untersucht haben, ist die Erhöhung des Anteils an Winterkulturen, die während der feuchteren Bedingungen zu Beginn des Jahres wachsen und erntereif sind, wenn der Regen ausbleibt. Bei Mais und Weizen gibt es solche früh reifenden Sorten.»

Um die Pflanzen vor der Trockenheit zu schützen, wird also der Anbaukalender an die sich verändernden Umweltbedingungen angepasst. «Aber diese Auswahl hat auch Nachteile, denn die schneller reifenden Sorten wachsen weniger lang und bauen weniger Biomasse auf, was sich in geringeren Erträgen niederschlägt», räumt die Forscherin ein.

Obstbäume verbessern Wasserhaushalt

Die negativen Auswirkungen der kurzen Wachstumsdauer auf die Erträge sprechen eher dafür, den Anteil spät reifen-der Sorten zu erhöhen. «Eigentlich könnte man dadurch sogar von der Erwärmung profitieren, die eine längere Wachstumsperiode und eine grössere Biomassenzunahme fördert – vorausgesetzt, es gibt keine extremen Hitze- und Dürreperioden.» Doch wie soll man sich in diesem Labyrinth aus Möglichkeiten und Risiken entscheiden?

«Eine Strategie, die im Mittelpunkt vieler Forschungsarbeiten steht, ist die Diversifizierung: Durch den Anbau verschiedener Pflanzen, die unterschiedlich auf klimatische Bedin-gungen reagieren, kann das Risiko von grossen Ernteausfällen verringert werden.» Laut einer Studie von Agroscope, die 2021 in Nature veröffentlicht wurde, verbessert der Anbau von mehreren Sorten sowohl die Resistenz gegen Krankheitserreger als auch den Ertrag. Diese Methode wird aber wenig genutzt, da die Grundsätze noch nicht in konkret anwendbare Praktiken übersetzt wurden.

«Die Arten müssen so zusammengebracht werden, dass sie sich nicht konkurrieren.»Annelie Holzkaemper

Was ist mit der guten, alten Bewässerung bei Trockenheit? «Das ist schwierig. Durch den Klimawandel wird auch die Hydrologie beeinflusst, so sinkt etwa der niedrigste Wasserstand bei Flüssen.» Es sind jedoch auch hier Anpassungen möglich, indem etwa statt einer Beregnung die effizientere Tröpfchenbewässerung eingesetzt wird. Oder: «Einer unserer Forschungsschwerpunkte befasst sich damit, wie die Kapazität des Bodens zur Wasserspeicherung erhöht werden kann», erklärt Holzkaemper. Das wird zum Beispiel mit der sogenannten Agroforstwirtschaft erreicht. «Die Kulturpflanzen profitieren dabei von einem schattigen Mikroklima, das durch forstwirtschaftliche Elemente oder Obstbäume geschaffen wird.»

Dies sei ein vielversprechender, aber heikler Ansatz: «Die Arten müssen so zusammengebracht werden, dass sie sich nicht konkurrieren. Und es entstehen Herausforderungen für die landwirtschaftlichen Arbeiten und allgemein für die Nutzung des Bodens. Es handelt sich also nicht um eine gebrauchsfertige Lösung, sondern eher um ein Experimentierfeld.»

Das Potenzial der Gentechnik ausschöpfen

Die Speicherkapazität des Bodens lässt sich ausserdem direkt beeinflussen, indem dieser mit einer organischen Substanz angereichert wird oder indem Sorten mit tieferen Wurzeln angebaut werden. Das führt aber zu einem neuen Dilemma: «Die modernen Sorten haben ein weniger ausgeprägtes Wurzelsystem als die alten Sorten. Denn wenn eine Pflanze weniger in ihre unterirdische Biomasse investiert, bringt sie höhere Erträge. Die Produktivitätssteigerung geht also auf Kosten der Menge an organischer Substanz im Boden und damit auf Kosten der Wasserspeicherkapazität des Bodens.»

Ein 2021 lanciertes EU-Projekt befasst sich mit diesem noch wenig erforschten Gebiet. Dabei wird nach Wegen gesucht, bei den wichtigsten europäischen Kulturen das Potenzial der Wurzeln auszuschöpfen.

«Aus wissenschaftlicher Sicht unterscheidet sich der epigenetische Ansatz nicht von Methoden, die für die Züchtung neuer Sorten eingesetzt werden.»Etienne Bucher

«Neben diesen abiotischen Aspekten – wie etwa Temperatur und Niederschlag – hat der Klimawandel auch biotische Auswirkungen: Krankheiten und Schädlinge kommen häufiger vor», führt Holzkaemper weiter aus. Die Suche nach Lösungen führt hier über die Entwicklung nachhaltiger Pflanzenschutzmittel. Diese könnten bisherige chemische Insektizide und Pestizide ersetzen, deren Einsatz in der Schweiz im Rahmen eines 2017 verabschiedeten nationalen Aktionsplans eingeschränkt wurde.

Eine weitere Möglichkeit, Kulturpflanzen an den Klimawandel anzupassen, sind auch gentechnische Veränderungen. Derzeit kann sich aber nur die Forschung auf dieses Gebiet wagen, da für den Einsatz dieser Methoden in der Schweizer Landwirtschaft seit 2005 ein Moratorium gilt. Dieses Verbot betrifft die Veränderung des Erbguts durch das Einfügen von Genen, die von anderen Pflanzen stammen, den sogenannten Gentransfer, oder gezielte Veränderungen ohne Beteiligung von Fremd-DNA, das Genome Editing. Das Anbauverbot betrifft sogar zufällige Mutationen, wenn sie durch neue Methoden bewirkt wurden – selbst wenn die Veränderungen nur epigenetisch sind, also reversibel.

Keine Erlaubnis für neue Zuchtmethoden

Bei Agroscope leitet Etienne Bucher solche Studien zur Epigenetik mit Erdbeeren, Weizen und Reis. «Aus wissenschaftlicher Sicht unterscheidet sich dieser Ansatz nicht von den Methoden, die auch in der ökologischen Landwirtschaft für die Züchtung neuer Sorten eingesetzt werden. Dabei werden die Pflanzen Substanzen ausgesetzt, die zufällige Mutationen hervorrufen.

In beiden Fällen wird die DNA selbst nicht gezielt verändert. Politisch dominiert aber der Wille, stets das Prinzip der sogenannten History of Safe Use anzuwenden. Damit schliesst auch das europäische Gentechnikgesetz alle nach 2001 entwickelten Techniken aus», erklärt der Forscher.

«Die Züchtung einer neuen Sorte dauert mit herkömmlichen Methoden 15 Jahre. In der Zwischenzeit schreitet die Klimaveränderung weiter voran.»Etienne Bucher

Warum Forschung in diese für eine breitere Anwendung verbotenen Techniken investieren? «Die Züchtung einer neuen Sorte dauert mit herkömmlichen Methoden 15 Jahre. In der Zwischenzeit schreitet die Klimaveränderung aber weiter voran. Die Weizenerträge, die sich zwischen 1950 und 2000 versiebenfachten, sinken nun unter dem Einfluss der Erwärmung tendenziell wieder. Wir müssen Zeit gewinnen, indem die Anpassungen beschleunigt werden.» Bucher relativiert aber auch: «Das Potenzial dieser Ansätze darf nicht überbewertet werden. Sie können die klassische Züchtung nicht ersetzen, sondern sind einfach ein weiteres Werkzeug.»

Von den Verboten sind übrigens auch internationale Wirtschaftsbeziehungen betroffen: Mehrere Unternehmen warten auf grünes Licht für die Lancierung ihrer neu entwickelten Produkte. Das Schweizer Parlament hat den Bundesrat deswegen dazu aufgefordert, im Jahr 2024 eine Lockerung des Moratoriums vorzuschlagen. Das wäre eine weitere mögliche Wendung in der Vielzahl der Anpassungsstrategien an den Klimawandel.