Im Flachland können Nadelbäume gut gegen die Erwärmung sein. In hohen Lagen nicht unbedingt. | Bild: Keystone/Chromorange/Manfred Dietsch

Wachsende Bäume binden CO2. Das ist gut fürs Klima. Doch diese Rechnung geht nicht immer auf. Verbuscht und verwaldet eine offene Landschaft, verändern sich dadurch Eigenschaften der Erdoberfläche. Zum Beispiel sinkt ihr Rückstrahlvermögen – die sogenannte Albedo –, und die Fläche absorbiert mehr einfallende Sonnenstrahlung. Damit ändert sich das lokale Klima, das Gebiet wird wärmer.

Ob bestehende Modelle die Auswirkungen von Landnutzungsänderungen auf das regionale Klima richtig abbilden, ist unklar. Eine internationale Studie vergleicht, wie neun Klimamodelle zwei theoretische Extremzustände simulieren: Im ersten Fall gingen die Forschenden von einem Europa ganz ohne Wald aus. Im zweiten Fall nahmen sie eine maximal mögliche Bewaldung an. Das sei ein methodisch neuer Ansatz, erklärt Studienleiter Edouard Davin von der ETH Zürich: «Mit dem Vergleich dieser idealisierten Annahmen konnten wir analysieren, wie empfindlich bestehende Klimamodelle auf eine Änderung der Landnutzung sind.»

Im Winter wärmt der Wald

Alle Modelle zeigen, dass im Winterhalbjahr im Norden Europas und im Gebirge die regionale Temperatur durch eine Bewaldung steigen kann. Der Grund: Auf den Bäumen liegt eine weniger geschlossene Schneedecke als auf dem Boden. Dadurch reflektiert die Erdoberfläche die Sonnenstrahlung schlechter, was zu einer Erwärmung führt.

Uneins sind sich die Modelle in den Fällen, in denen kein oder nur wenig Schnee fällt. Dass die Albedo einer aufgeforsteten Fläche niedriger ist als jene einer offenen Fläche, wirkt sich hier weniger stark auf das regionale Klima aus. Dafür können sogenannte atmosphärische Rückkoppelungen eine grössere Rolle spielen. Zum Beispiel verdunstet in einem Wald über den Boden und die Blätter mehr Wasser (Evapotranspiration) als auf einer offenen Fläche. Das kühlt die Umgebung ab und fördert die Wolkenbildung, was wiederum die Rückstrahlung in die Atmosphäre bremst. «Wie sich die Gesamtheit dieser Effekte auf die Temperatur auswirkt, ist unklar», sagt Davin.

«In den Zentralalpen ergibt eine Aufforstung nahe der Waldgrenze aus klimatischen Gründen oft wenig Sinn.»

Die Resultate verlangen laut dem Studienleiter keinen Aufforstungsstopp. Es gelte aber, sich gut zu überlegen, wo aufgeforstet wird. Dem stimmt Peter Bebi von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft zu. Er forscht zu Schutzwald und Naturgefahren und beschäftigt sich auch damit, wie sich Wald und Klima gegenseitig beeinflussen: «In den Zentralalpen ergibt eine Aufforstung nahe der Waldgrenze aus klimatischen Gründen oft wenig Sinn. Unsere Auswertungen von Satellitendaten für die Schweiz zeigen, dass die geringere Rückstrahlung bei hochgelegenen Wäldern in schneereichen Regionen besonders ins Gewicht fällt.» Dazu kommt, dass langsam wachsende Gebirgswälder relativ wenig CO2 speichern.

Allgemein gilt: Der wärmende Effekt der verlorenen Rückstrahlung ist am grössten, wenn nahe der Pole oder in grosser Höhe aufgeforstet wird. Hingegen überwiegt der kühlende Effekt einer Aufforstung im Jura, im Mittelland und in den Voralpen. In den Tropen ist eine Aufforstung aus klimatischer Sicht übrigens immer sinnvoll.

Es spielt aber auch eine Rolle, welche Bäume gepflanzt werden: «Laubbäume sind fürs Klima tendenziell besser als Nadelbäume», sagt Davin. Sie haben eine höhere Evapotranspiration und reflektieren mehr Sonneneinstrahlung. » Jonas Schwab, der sich an der ETH mit den Wechselwirkungen von Wald und Klima beschäftigt, ergänzt: «Albedoänderungen wirken sich vor allem lokal auf das Klima aus. Die CO2- Speicherung im Wald dagegen hat einen globalen Effekt.» Aus dieser Perspektive gesehen ist also klar, dass weltweit möglichst viel Wald erhalten oder aufgeforstet werden soll. Auch noch aus anderen Gründen, wie Davin erklärt: «Wald ist nicht nur eine CO2-Senke, sondern bietet vielen Pflanzen und Tieren einen Lebensraum oder ist wichtig als Schutz vor Naturgefahren.»