March for Science im deutschen Rostock 2017. Damals demonstrierten Menschen in rund 600 Städten weltweit gegen sogenannt alternative Fakten und für den Wert der Forschung. | Foto: Bernd Wüstneck/DPA/Keystone

Das EU-Parlament hat einen Wachhund für freie Wissenschaft angeschafft: Das ständige Forum für akademische Freiheit in ­Europa soll politische Vorstösse voranbringen, die Forschende vor Übergriffen durch Staaten oder andere Akteure schützen. Es soll zudem einen jährlichen «wirklich unabhängigen Bericht über den Stand der akademischen Freiheit erstellen», wie EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola laut Science Business erklärte.

Gemäss der Online-Plattform ist der deutsche Politiker Christian Ehler Initiator des Forums. Er warnte mit markigen Worten: «Die Erosion der akademischen Freiheit ist eine tödliche Bedrohung für unsere gemeinsame europäische Zukunft.» Der globale Index für akademische Freiheit der Universitäten Göteborg und Erlangen-Nürnberg von 2022 zeigt: Gegenüber 2011 ist die akademische Freiheit in neunzehn Ländern deutlich zurückgegangen.

«Die Erosion der akademischen Freiheit ist eine tödliche Bedrohung für unsere gemeinsame europäische Zukunft.»Christian Ehler

In Europa bilden Ungarn und Polen die Schlusslichter. Ungarn ist 2017 besonders negativ aufgefallen, als es die EU-Charta für Grundrechte und deren 13. Artikel zur akademischen Freiheit ignorierte und ein Gesetz einführte, das die Central European University um den Milliardär George Soros zwang, von Budapest nach Wien umzuziehen. Auch der Jahresbericht 2022 der NGO Scholars at Risk, die sich weltweit für verfolgte Forschende einsetzt, führt verschiedene Vorfälle in Mitgliedstaaten der EU auf.

Die EU-Charta für Grundrechte ist rechtlich nicht bindend. Kurt Deketelaere, Generalsekretär der Liga Europäischer Forschungsuniversitäten, kritisierte auf der Webseite von Research Europe, es sei «bedauerlich», dass die Europäische Kommission die akademische Freiheit zumeist als eine Angelegenheit der Bildungsinstitutionen betrachte und sich «folglich scheut, tätig zu werden». Nun versucht die EU also einen anderen Weg zu finden, um die freie Wissenschaft zu schützen.