Eine Universalsprache kann sowohl Austausch fördern als auch Ungleichheiten verstärken, sagt Laura Bernardi, Vizepräsidentin des Nationalen Forschungsrats des Schweizerischen Nationalfonds. | Foto: Université de Lausanne

Wissenschaftliche Arbeiten, die nicht in englischer Sprache veröffentlicht werden, finden international kaum Beachtung. Gleichzeitig finden wertvolle Forschungsergebnisse auf Englisch in der Politik ebenso wenig Beachtung, wenn keine Übersetzung in die entsprechende Sprache vorliegt.

Schon bei Latein und Französisch war es so: Eine Universalsprache für die Wissenschaft ist mit Zielkonflikten verbunden. Einerseits ermöglicht sie den internationalen Austausch, was für den Fortschritt der Wissenschaft enorm wichtig ist. Andererseits dominiert die betreffende Sprache den wissenschaftlichen Diskurs und verstärkt die Ungleichheiten bei der Beteiligung verschiedener Länder und Disziplinen.

«Bei der Evaluation und Verwertung von Forschungsergebnissen ist einmal eine Universalsprache sinnvoller, ein andermal Mehrsprachigkeit.»

Aufgrund der Bedeutung, die der Förderung der Vielfalt beigemessen wird, stellt sich die Frage, welchen sprachlichen Rahmen der Schweizerische Nationalfonds (SNF) in der mehrsprachigen Schweiz vorgeben soll. Der SNF spielt eine wichtige Rolle bei verschiedenen Etappen der Wissensproduktion, insbesondere bei der Evaluation und Verwertung von Forschungsergebnissen innerhalb und ausserhalb der Wissenschaft. Einmal ist dabei eine Universalsprache sinnvoller, ein andermal Mehrsprachigkeit.

Bei der Evaluation von Forschungsgesuchen sollen nationale und internationale Expertengremien mit vielfältigem Hintergrund beurteilen können, ob das Projekt relevant, fundiert und durchführbar ist. Da drängt sich die englische Sprache auf.

«Wenn Forschungsgesuche auf Englisch einzureichen sind, fördert dies die Gleichbehandlung der Forschenden in der Schweiz, die ihre Arbeit nicht in einer der Landessprachen verfassen.»

In den MINT-Disziplinen ist Englisch als gemeinsame Sprache die gängige Praxis, nicht jedoch in Fächern, in denen die Forschung in anderen Sprachen durchgeführt wird. Wenn Forschungsgesuche auf Englisch einzureichen sind, fördert dies zudem die Gleichbehandlung der Forschenden in der Schweiz, die ihre Arbeit nicht in einer Landessprache verfassen, etwa in der spanischen Philologie oder der chinesischen Geschichte. Aus beiden Gründen wird der Mehraufwand für das Verfassen englischer Forschungsgesuche durch den Vorteil einer fairen und transparenten Evaluierung weitgehend ausgeglichen.

Gleichzeitig sollten wir dort Mehrsprachigkeit unterstützen, wo sie den grössten Nutzen bringt. Das ist beispielsweise in Disziplinen wie Rechts- und Literaturwissenschaften der Fall, wo die Ergebnisse am wirkungsvollsten in derselben Sprache vermittelt werden können, in der die Forschung durchgeführt wurde. Sprachliche Vielfalt ist auch essenziell, wenn politische und öffentliche Debatten angestossen werden sollen.