Foto: zVg

Neinsagt Ueli Mäder, emeritierter Professor für Soziologie an der Universität Basel.

Foto: Ute Schendel

Jasagt Cristina Urchueguía, Professorin für Musikwissenschaft an der Universität Bern.
Die Universität Bern verlieh 2021 der weltbekannten Sängerin Tina Turner ein Ehrendoktorat. Die Universität Basel vergab diesen Titel 2017 an Tennisspieler Roger Federer. Das Idol fördere die Gesundheit. So begründete die Medizinische Fakultät damals ihre Wahl. Ehrendoktorate für Prominente liegen im Trend. Der Mönch Dalai Lama etwa hat schon fünfzig. Auch namhafte CEOs weisen sich gerne so aus, sogar mit Urkunden nicht akkreditierter Hochschulen. Ehrendoktorate sind auch bei altgedienten Ordinarien beliebt. Einige führen gleich mehrere Dr. h.c. im Titel.

Wer hat, dem wird gegeben. Das steht schon in der Bibel und bleibt aktuell. Hohe Löhne und Vermögen steigen bei uns stärker als niedrige. Sie bringen Einfluss und Prestige. Andere, die viel Wertvolles erarbeiten, verdienen wenig und bleiben im Hintergrund. Die im Dunkeln sieht man nicht, schrieb schon Bertolt Brecht in der Dreigroschenoper. Unsere Gesellschaft ökonomisiert sich, ist konkurrenz- und geldgetrieben. Gut ist, was kurzfristig rentiert. Finanzielle und symbolische Anreize spornen uns an. Diese wirken jedoch zunehmend inflationär und demotivierend. Dies auch deshalb, weil sich beachtete Verdienste bei jenen häufen, die mit besseren Startbedingungen eh schon im Rampenlicht stehen.

«Hochschulen sollten mit Ehrenwürden eigenwillige Zeichen setzen, indem sie verdeckte Pionierleistungen erhellen.»

Unzählige Menschen dagegen sind schöpferisch und geistreich tätig, ohne dafür Boni zu erhalten. Sie tun dies durchaus wissenschaftlich orientiert, nämlich fundiert und differenziert. Gewerbetreibende etwa entwickeln umweltschonende Verfahren. Medienschaffende ergründen brisante Zusammenhänge. Sporttreibende reflektieren kritisch, was sie bei Radrennen, Langläufen oder Tennisturnieren erleben, ohne Werbemillionen nachzueifern. Ihnen gebührt mehr Anerkennung. Ehrendoktorate können zwar innovative Kreativität fördern, doch Titeleien beinhalten die Gefahr, Hierarchien zu verfestigen und sich über andere zu erheben. Dagegen ist niemand gefeit. Umso wichtiger ist, dass Hochschulen den sozialen Ausgleich kultivieren und mit Ehrenwürden eigenwillige Zeichen setzen, indem sie verdeckte Pionierleistungen erhellen, statt sich mit glänzenden Federn zu schmücken.

Ueli Mäder, emeritierter Professor für Soziologie der Universität Basel, gehörte 2017 zu den Kritikern am Ehrendoktorat für Roger Federer. Einer seiner Schwerpunkte ist die soziale Ungleichheit.

Prominente wecken den Neid Nicht-Prominenter: Sie sind reich, schön, bekannt, erfolgreich. Dass ihnen Ehren zufliegen, scheint unfair. Man sollte deswegen zum Ausgleich diejenigen ehren, die nicht das Glück der Prominenten hatten, so hört man oft. Doch der Status der Prominenz im übertragenen Sinne, also die Berühmtheit, ist – ausgenommen die freischwebende Prominenz von Teilnehmenden von Reality Shows und Influencern – eine Begleiterscheinung der Prominenz im eigentlichen Sinne: des Herausragens in einem Bereich menschlicher Tätigkeiten: Kunst, Sport, Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, Soziales. Herausragende Leistung nicht zu bewundern ist kleinherzig.

Formuliert man also die Frage um und schwenkt den Fokus von der Prominenz zum Herausragen und damit zur Exzellenz, wird das Problem ad absurdum geführt, der vermeintliche Widerspruch löst sich auf.

«Die akademische Missgunst gegenüber Prominenten folgt einer bigotten Hack- und Rangordnung.»

Es kommt aber noch etwas dazu: Die akademische Missgunst gegenüber Prominenten folgt einer bigotten Hackund Rangordnung. Je nach Gebiet und Art der Leistung, die Prominenten zu ihrem Ruf verhilft, stehen sie unter Rechtfertigungsdruck oder dürfen hemmungslos Ehren anhäufen. Zur ersten Gruppe gehören eher Frauen sowie Vertreterinnen und Vertreter der leichten Muse, in der zweiten sind es Männer aus sogenannt seriösen Tätigkeitsfeldern. Den Nobelpreis-tragenden Literaten und Salonlöwen Mario Vargas Llosa schmücken mehr Dres. h.c. als einen Weihnachtsbaum bunte Kugeln, eine öffentliche Debatte, wie im Fall des Dr. h.c. an Angela Merkel 2009, blieb bisher aus.

Im Fall der Musik rümpft man die Nase über Stars aus der Pop- und Rocksparte. Niemand täte sich über den dritten Dr. h.c. an Heinz Holliger oder Daniel Barenboim aufregen, beides alte weisse Männer der Klassik. Bei der Ehrendoktorwürde an eine nicht weisse alte Frau und lebende Rock- und Poplegende, nämlich Tina Turner, durch die Universität Bern sah sich die Redaktion von Horizonte prompt veranlasst, Sinn und Zweck der Ehrendoktorwürde für Prominente zu hinterfragen. Warum? Jedenfalls lässt es tief blicken.

Cristina Urchueguía, Professorin für Musikwissenschaft an der Universität Bern, erforscht unter anderem den Einfluss ästhetischer und historischer Wertekanons auf die Musikgeschichte. Sie ist Präsidentin der Schweizerischen Musikforschenden Gesellschaft (SMG).

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NeinUeli Mäder, emeritierter Professor für Soziologie der Universität Basel

Die Universität Bern verlieh 2021 der weltbekannten Sängerin Tina Turner ein Ehrendoktorat. Die Universität Basel vergab diesen Titel 2017 an Tennisspieler Roger Federer. Das Idol fördere die Gesundheit. So begründete die Medizinische Fakultät damals ihre Wahl. Ehrendoktorate für Prominente liegen im Trend. Der Mönch Dalai Lama etwa hat schon fünfzig. Auch namhafte CEOs weisen sich gerne so aus, sogar mit Urkunden nicht akkreditierter Hochschulen. Ehrendoktorate sind auch bei altgedienten Ordinarien beliebt. Einige führen gleich mehrere Dr. h.c. im Titel.

Wer hat, dem wird gegeben. Das steht schon in der Bibel und bleibt aktuell. Hohe Löhne und Vermögen steigen bei uns stärker als niedrige. Sie bringen Einfluss und Prestige. Andere, die viel Wertvolles erarbeiten, verdienen wenig und bleiben im Hintergrund. Die im Dunkeln sieht man nicht, schrieb schon Bertolt Brecht in der Dreigroschenoper. Unsere Gesellschaft ökonomisiert sich, ist konkurrenz- und geldgetrieben. Gut ist, was kurzfristig rentiert. Finanzielle und symbolische Anreize spornen uns an. Diese wirken jedoch zunehmend inflationär und demotivierend. Dies auch deshalb, weil sich beachtete Verdienste bei jenen häufen, die mit besseren Startbedingungen eh schon im Rampenlicht stehen.

«Hochschulen sollten mit Ehrenwürden eigenwillige Zeichen setzen, indem sie verdeckte Pionierleistungen erhellen.»

Unzählige Menschen dagegen sind schöpferisch und geistreich tätig, ohne dafür Boni zu erhalten. Sie tun dies durchaus wissenschaftlich orientiert, nämlich fundiert und differenziert. Gewerbetreibende etwa entwickeln umweltschonende Verfahren. Medienschaffende ergründen brisante Zusammenhänge. Sporttreibende reflektieren kritisch, was sie bei Radrennen, Langläufen oder Tennisturnieren erleben, ohne Werbemillionen nachzueifern. Ihnen gebührt mehr Anerkennung. Ehrendoktorate können zwar innovative Kreativität fördern, doch Titeleien beinhalten die Gefahr, Hierarchien zu verfestigen und sich über andere zu erheben. Dagegen ist niemand gefeit. Umso wichtiger ist, dass Hochschulen den sozialen Ausgleich kultivieren und mit Ehrenwürden eigenwillige Zeichen setzen, indem sie verdeckte Pionierleistungen erhellen, statt sich mit glänzenden Federn zu schmücken.

Ueli Mäder, emeritierter Professor für Soziologie der Universität Basel, gehörte 2017 zu den Kritikern am Ehrendoktorat für Roger Federer. Einer seiner Schwerpunkte ist die soziale Ungleichheit.

 


Foto: Ute Schendel

JaCristina Urchueguía, Professorin für Musikwissenschaft an der Universität Bern.

Prominente wecken den Neid Nicht-Prominenter: Sie sind reich, schön, bekannt, erfolgreich. Dass ihnen Ehren zufliegen, scheint unfair. Man sollte deswegen zum Ausgleich diejenigen ehren, die nicht das Glück der Prominenten hatten, so hört man oft. Doch der Status der Prominenz im übertragenen Sinne, also die Berühmtheit, ist – ausgenommen die freischwebende Prominenz von Teilnehmenden von Reality Shows und Influencern – eine Begleiterscheinung der Prominenz im eigentlichen Sinne: des Herausragens in einem Bereich menschlicher Tätigkeiten: Kunst, Sport, Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, Soziales. Herausragende Leistung nicht zu bewundern ist kleinherzig.

Formuliert man also die Frage um und schwenkt den Fokus von der Prominenz zum Herausragen und damit zur Exzellenz, wird das Problem ad absurdum geführt, der vermeintliche Widerspruch löst sich auf.

«Die akademische Missgunst gegenüber Prominenten folgt einer bigotten Hack- und Rangordnung.»

Es kommt aber noch etwas dazu: Die akademische Missgunst gegenüber Prominenten folgt einer bigotten Hackund Rangordnung. Je nach Gebiet und Art der Leistung, die Prominenten zu ihrem Ruf verhilft, stehen sie unter Rechtfertigungsdruck oder dürfen hemmungslos Ehren anhäufen. Zur ersten Gruppe gehören eher Frauen sowie Vertreterinnen und Vertreter der leichten Muse, in der zweiten sind es Männer aus sogenannt seriösen Tätigkeitsfeldern. Den Nobelpreis-tragenden Literaten und Salonlöwen Mario Vargas Llosa schmücken mehr Dres. h.c. als einen Weihnachtsbaum bunte Kugeln, eine öffentliche Debatte, wie im Fall des Dr. h.c. an Angela Merkel 2009, blieb bisher aus.

Im Fall der Musik rümpft man die Nase über Stars aus der Pop- und Rocksparte. Niemand täte sich über den dritten Dr. h.c. an Heinz Holliger oder Daniel Barenboim aufregen, beides alte weisse Männer der Klassik. Bei der Ehrendoktorwürde an eine nicht weisse alte Frau und lebende Rock- und Poplegende, nämlich Tina Turner, durch die Universität Bern sah sich die Redaktion von Horizonte prompt veranlasst, Sinn und Zweck der Ehrendoktorwürde für Prominente zu hinterfragen. Warum? Jedenfalls lässt es tief blicken.

Cristina Urchueguía, Professorin für Musikwissenschaft an der Universität Bern, erforscht unter anderem den Einfluss ästhetischer und historischer Wertekanons auf die Musikgeschichte. Sie ist Präsidentin der Schweizerischen Musikforschenden Gesellschaft (SMG).