Die Sensoren an den Beinen erlauben es den Forschenden am Labor für Bewegungsanalyse und -messung der EPFL, die Belastung des Kniegelenks zu bestimmen. | Foto: Gian Paul Lozza.

«Sportwissenschaft wurde erst spät als akademische Disziplin anerkannt», sagte eine Redaktionskollegin. «Na ja!», dachte ich: «So wichtig ist Sport nun auch wieder nicht.» Doch seit ich darauf achte, fällt mir immer mehr auf, welch zentrale gesellschaftliche Rolle er spielt.

Nehmen wir die Fussball-Europameisterschaft: Als die Schweiz in einem spektakulären Spiel Frankreich bezwang, dominierte das Ereignis die Diskussionen. Zuvor hatte die Coronapandemie gezeigt, wie langweilig ein Match ohne Publikum ist. Die 70 000 Zuschauenden im Finalspiel im Wembley-Stadion hingegen verleiteten den SRF-Sportkommentator zu einem gesundheitspolitischen Kommentar. Bandenwerbungen auf Chinesisch wiederum produzierten besorgte journalistische Beiträge zur Machtpolitik Chinas. Und immer wieder kommt es zu Rassismus: Kniefälle der Mannschaften vor Anpfiff können enthemmte fremdenfeindliche Emotionen nach verschossenen Penaltys nicht verhindern.

«Während Boxstunden zum Abreagieren für einen jugendlichen Gewaltstraftäter massive Medienkritik auslösen, gelten SAC-Skitouren beinahe als patriotischer Zeitvertreib.»

Auch im Alltag ist Sport omnipräsent: Übergewichtige werden verächtlich behandelt, weil sie sich zu wenig bewegen, und bei denjenigen, die vom Jungfrau-Marathon zum Ironman-Triathlon hasten, vermutet man rasch eine Sucht. Wb.

Selbst die Wissenschaft ist voller Sportmetaphern – von Wissenschafts- Olympiaden für Jugendliche über die Ranglisten für Universitäten bis zum Vergleich der ERC Grants mit der Champions League. Ich bin jetzt überzeugt und gehe mit dem Professor für Sportwissenschaft Achim Conzelmann in unserem Fokus völlig einig: Sport ist ein gesellschaftlich hoch relevantes Thema. Dazu passt auch eine eigenständige Disziplin.