Der Streit um die Zukunft der renommierten «Zeitschrift für Kunstgeschichte» fördert Vielfalt: Eine neue Zeitschrift wird lanciert und die alte wird weiter herausgegeben. | Bild: Valérie Chételat

Der Trend zur Digitalisierung und die generellen Probleme der Printmedien machen auch vor wissenschaftlichen Fachpublikationen nicht halt. Schon seit einigen Jahren kämpft die Redaktion der 1932 in Berlin gegründeten und viermal pro Jahr erscheinenden «Zeitschrift für Kunstgeschichte» (ZfK) mit Finanzierungsproblemen. Diese Entwicklung hatten die vier Herausgeberinnen und Herausgeber dem Deutschen Kunstverlag, der die Zeitschrift druckt, schon vor einiger Zeit kommuniziert.

Konkret läuft die finanzielle Unterstützung der Rudolf-August-Oetker-Stiftung und der Universität Bielefeld per Ende 2019 aus. Die Herausgeber, die seit 2015 mit einem überarbeiteten Konzept verantwortlich zeichnen, machten sich deshalb auf die Suche nach neuen Partnerschaften und fanden dabei die Universität Bern, die sich bereit zeigte, die Zeitschrift ab 2020 zu unterstützen. Einzige Bedingung: Die Publikation hat als Periodikum ausschliesslich Open Access zu erscheinen, also so, dass alle Artikel ab Veröffentlichung uneingeschränkt und kostenlos online verfügbar sind (goldener Weg).

Rechtsstreit um Namen

Damit begannen die Probleme. Denn der deutsche Verlag wollte die Beiträge zunächst in Repositorien (grüner Weg), aber nur nach einer Sperrfrist zugänglich machen lassen. Der goldene Weg sollte erst ab 2021 einführt werden – und auch das nur unter Bedingungen, wie Beate Fricke sagt, eine der Herausgeberinnen und Professorin für ältere Kunstgeschichte an der Universität Bern. Bald wurde klar, dass ein gemeinsamer Weg nicht mehr möglich ist, worauf ein Streit um das Recht am Namen des traditionellen Titels entbrannte.

Die Herausgeber stellten sich dabei auf den Standpunkt, dass das Recht bei ihnen liege und sie mit dem Namen «Zeitschrift für Kunstgeschichte» in Zusammenarbeit mit dem Internetportal arthistoricum. net weitermachen können. Der Deutsche Kunstverlag sah das anders. Da in Deutschland der Titelschutz deutlich ausgeprägter ist als in der Schweiz, hätte wohl ein langwieriges und teures Rechtsverfahren gedroht, wie Daniel Hürlimann sagt, Assistenzprofessor für Wirtschaftsrecht mit Schwerpunkt Informationsrecht an der Universität St. Gallen.

Für einen Rechtsstreit fehlten den Herausgebern das Geld und die Nerven. Deshalb sah sich das Team gezwungen, seine Tätigkeit per Ende 2019 niederzulegen. «Das ist uns sehr schwergefallen, da wir befürchten müssen, dass eine für das Fach Kunstgeschichte wichtige Zeitschrift einer ungewissen Zukunft entgegensieht», sagt Beate Fricke. Der Dissens mit dem Verlag über die Zukunftsfrage sei aber unüberbrückbar gewesen. Als Alternative hat das auf sechs Personen aufgestockte Herausgeberteam nun entschieden, eine neue Zeitschrift namens «21: Inquiries into Art, History, and the Visual» zu gründen und diese ab 2020 über den weitherum geforderten goldenen Weg zu verbreiten.

Neue Herausgeber gesucht

Nebst Beiträgen zur Kunstgeschichte im klassischen Sinn soll sich die neue Zeitschrift auch mit Beiträgen zu Bildern, visuellen Phänomenen und Praktiken befassen. Die Herausgeber denken an Auseinandersetzungen mit Film, Fotografie, Werbung und sozialen Medien. Dabei wollen sie sich nicht auf den angloamerikanisch- europäischen Raum beschränken, sondern weltweit Themen aufgreifen. Alle Beiträge unterliegen dabei dem doppelt verblindeten Peer Review. Laut Fricke wird der Pflege der Vielsprachigkeit in der Kunstgeschichte besondere Beachtung geschenkt, weshalb Beiträge in Englisch, Deutsch, Französisch und Italienisch erscheinen werden.

Der Deutsche Kunstverlag bedauert auf Anfrage, dass die bisherigen Herausgeber sich entschlossen haben, ihre Tätigkeit niederzulegen. Die «Zeitschrift für Kunstgeschichte » soll aber ab 2020 mit einem neuen, noch unbekannten Herausgebergremium weitergeführt werden und gedruckt sowie digital erscheinen. Auch eine Open-Access-Lösung sei ergänzend denkbar. «Der Deutsche Kunstverlag ist sich der Verantwortung für die ‹Zeitschrift für Kunstgeschichte› als eines der wichtigsten Organe der deutschen Kunstgeschichte bewusst », sagt Eric Merkel-Sobotta, Leiter der Kommunikation bei der De-Gruyter-Gruppe, zu der der Verlag gehört. Die Aufstellung des neuen Herausgebergremiums erfolge deswegen in enger Abstimmung mit der kunsthistorischen Fachcommunity. Für diese könnte der Streit zwischen den alten Herausgebern und dem Verlag immerhin ein grösseres Angebot zur Folge haben.