Wie von van Gogh gemalt: Zellulose-Nanokristalle unter dem Polarisationsmikroskop. | Bild: Gwendoline Delepierre

«Ein Kollege hat mir nicht geglaubt, dass das ein Foto ist. Er war überzeugt, es sei ein Gemälde.» Dabei beschäftigt sich Gwendoline Delepierre von der Universität Freiburg mit dem Verhalten von Zellulose-Nanokristallen – nicht mit Kunst. Trotzdem hat sie mit dem Kollegen diskutiert, aus dem Pinsel welchen Malers denn ein solches Werk hätte entstehen können. So hatten sie schnell den Titel für die Mikroskopaufnahme gefunden: Van-Gogh-Zellulose-Nanokristalle.

«Zellulose ist das am häufigsten vorkommende Biopolymer auf unserem Planeten. Deswegen ist sie eine grossartige erneuerbare Ressource», erklärt Delepierre. «Die Nanokristalle organisieren sich selbst. Sie haben die Form von Stäbchen, die von selbst Strukturen bilden, ohne dass Energie zugeführt wird.» Zum Beispiel so eine, wie sie im unteren Teil des Bildes zu sehen ist. «Ich untersuche, wie, wann und warum die Kristalle solche Strukturen bilden, denn diese bringen Farben hervor, ohne Pigmente.» Übrigens: Fügte man der Probe auf dem Foto Salz hinzu, würde sie als leuchtendes Blau gesehen. Delepierre liebt ihre Forschung, weil das neue Verständnis helfen könnte, erneuerbare Materialien mit intensiven Farben herzustellen.

Das Foto wurde mit einem Polarisationsmikroskop aufgenommen. Für die Chemikerin und Materialwissenschaftlerin sieht ihr Forschungsobjekt aus, «als ob es schneien würde, als ob die Kristalle rieseln und sich formen würden. Oder als ob die Zellulose eine Welle wäre, von der Gischt nach oben spritzt.» Die Aufnahme weckt viele Assoziationen. Und tut damit genau das, was gute Kunst tut: Sie lässt innehalten, regt zum Nachdenken an, gibt Raum für Interpretationen. Dabei ist das expressionistisch anmutende Werk mithilfe präziser Technik entstanden: «So wurden die Strukturen und ihre Schönheit sichtbar», erklärt Delepierre. Eine nanotechnische Ästhetik wie gemalt.