Französische Texte waren im 15. Jahrhundert gefragt. Dies führte zur Erfindung des Ritterromans | Bild: Bibliothèque Nationale de France

Wenn wir einen Roman lesen, denken wir kaum daran, dass wir dieses Genre den Druckern und Buchhändlern der Renaissance verdanken. Zu Beginn stand der Geschäftsgedanke im Vordergrund: Nach der Einrichtung der  ersten Druckpressen in Frankreich um 1470 sollten die aus Deutschland und Italien importierten lateinischen Bücher konkurrenziert werden. «Die Herausgeber haben dann eine Nische gefunden: Der Druck in  der Gemeinsprache», erklärt Gaëlle Burg vom Institut für französische Sprach- und Literaturwissenschaft der Universität Basel. «Sie stellten fest, dass dringend Bedarf an Texten auf Französisch besteht.» Die Forscherin untersucht die Entstehung des höfischen Romans als literarische Kategorie zwischen Mittelalter und Renaissance.

Die Herausgeber der Romane lassen sich von mittelalterlichen Rittertexten inspirieren und adaptieren sie für ihre Leserschaft: Sie schreiben sie in Prosa nieder, passen die Sprache an und entwickeln eine neue Ikonografie. Insgesamt rückt die mittelalterliche Symbolik mit dem Motiv der Minne, der ritterlichen Liebe, zugunsten von kriegerischen Exploits in den Hintergrund. Was die Form betrifft, ersetzen römische Buchstaben die gotische Schrift, der Text wird in Kapitel gegliedert und mit einer Titelseite versehen.

«Druckereien und Buchhändler schaffen gewisse generische Marker, die zur Entstehung einer breiteren Kategorie – des höfischen Romans – beitragen, ausgehend von spezifischen mittelalterlichen Literaturformen», erklärt Burg. In ihren Arbeiten zeichnet sie für einen Korpus von fünf Werken die Entstehung auf, von der ersten handschriftlichen Version bis zu den verschiedenen Drucken in den französischen Verlagen des 16. Jahrhunderts.

Insgesamt finden so rund hundert Werke Eingang in die Renaissance-Literatur. Seine Blütezeit erlebt der höfische Roman um 1540. Auch wenn er später an Bedeutung verliert, hat er die Grundzüge des Genres wesentlich geprägt.