Servan Grüninger, Präsident von Reatch, macht aus dem Thinktank immer mehr eine junge Akademie der Wissenschaften. | Bild: Valérie Chételat

Die Abkürzung Ihrer Organisation klingt sehr technisch: Research and Technology in Switzerland. Was ist Reatch?

Wir sind eine Ideenschmiede für Wissenschaftler und die Gesellschaft. Junge Forschende rüsten wir für die Mitgestaltung der Gesellschaft, Öffentlichkeit und Politik lassen wir an den innovativen Ideen aus Wissenschaft und Technik teilhaben. Unsere Wurzeln sind stark analog. Wir haben mit Face-to-face-Veranstaltungen vor vier Jahren angefangen, bereiten unsere Inhalte aber auch digital auf und stellen sie online zur Verfügung.

Wie ist Reatch entstanden?

Die Idee, dass Wissenschaftler in einer direkten Demokratie mitreden und proaktiv kommunizieren müssen, habe ich seit Studienbeginn mit mir herumgetragen. Nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative 2014 hat mich das Verhalten vieler Akademiker gestört, das Stimmvolk als blöd darzustellen. Ich habe die Idee mit Kollegen diskutiert und wenig später mit zehn anderen den Verein gegründet.

Wie erklären Sie sich die beachtliche Bekanntheit nach nur vier Jahren?

Reatch ist ein Team-Effort. Grosses Engagement und Experimentierlust mit Fokus auf solide Inhalte waren und sind am wichtigsten. In den Universitätsstädten Zürich, Basel und Bern haben viele Leute eigene Projekte lanciert und Informations- und Diskussionsveranstaltungen organisiert. In Lausanne entsteht gerade eine Regionalgruppe. Sicher helfen auch unsere Themen: digitale Welt, Gesundheit, Ressourcen, aber auch Kulturen der Gegenwart und verantwortungsvolle Wissenschaft. Um uns soll niemand herumkommen.

Grassroots-Bewegung aus der Wissenschaft
«Ohne Dialog auf Augenhöhe keine gesunde Demokratie», schreibt Reatch auf seiner Website. Seit 2014 engagieren sich junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für ein besseres Verständnis zwischen den Wissenschaften und anderen Teilen der Gesellschaft. Der Verein versteht sich als Grassroots-Bewegung, bei der rund 200 Freiwillige mitbestimmen.

Welche Erfolge konnte ihr Thinktank erzielen?

Mit unseren Formaten bereichern wir den Dialog und können die Menschen begeistern. Wir füllen damit Veranstaltungssäle. Wir sehen auch, dass unsere Inhalte bei Entscheidungsträgern ankommen. Noch nicht erfolgreich sind wir mit der längerfristigen Finanzierung. Wir leben von Beiträgen, Spenden und gemeinnützigen Stiftungen und sind gegenwärtig daran, unsere Finanzierungsgrundlage zu verbreitern.

Euer Terrain wird in anderen Ländern von jungen Akademien besetzt. Was ist anders bei euch?

Vielleicht gar nicht so viel. Wir haben uns vom Schweizer Thinktank Foraus inspirieren lassen, bewegen uns aber immer mehr in Richtung des Modells der Jungen Akademie in Deutschland. Wir werden allerdings immer näher an gesellschaftspolitischen Fragen bleiben. Auch die Arbeit der herkömmlichen Akademien in der Schweiz schätzen wir sehr.

Wie will Reatch den Respekt sowohl von der Wissenschaft als auch der Politik erhalten?

Wir haben gezeigt, dass es funktionieren kann. In der Wissenschaft stützen wir uns auf solide Forschung und Fakten. Wir wollen selbstkritisch bleiben und allfällige Fehler schnell offenlegen und korrigieren. Auf der anderen Seite möchten wir zeigen, dass die Wissenschaften kein Wundermittel sind, um politische Differenzen aufzulösen. Den Umgang mit dem Klimawandel können die Wissenschaften allein nicht beantworten. Dazu braucht es eine gesellschaftliche Debatte.

This Rutishauser ist freischaffender Journalist in Bern.

Breit interessierter Student
Servan Grüninger (27) ist Mitgründer und Präsident von Reatch. Er hat sein Studium an der Universität Zürich mit Politikwissenschaften und Recht begonnen und mit einem Master Biologie und Statistik abgeschlossen. Zurzeit beendet er einen Zweitmaster in Computational Science an der EPFL. Grüninger ist Mitglied der CVP und schreibt als freier Journalist unter anderem für die NZZ.