Droht eine Studiengebührerhöhung, mobilisiert dies Studenten und Kantonschülerinnen: Sie sehen in der Massnahme eine Beschränkung der Bildungsfreiheit und eine höhere Hürde für ein Studium – die Hochschulen argumentieren jedoch, dass sie mehr Geld brauchen. | Bild: Keystone/Walter Bieri

An mehreren Hochschulen toben politische Kämpfe. Der Grund: Die beiden ETH und die Universitäten Bern, Basel und Freiburg möchten die Studiengebühren um einige Hundert Franken pro Jahr erhöhen. Gegen diese Absicht laufen Studierendenverbände und Sympathisanten Sturm. Sie befürchten, Studentinnen und Studenten aus weniger begütertem Elternhaus würden benachteiligt. Zudem würden die Mehreinnahmen nur einen kleinen Bruchteil des Budgets der Hochschule ausmachen.

Sind die Einwände berechtigt? Und wie wirken sich höhere Studiengebühren tatsächlich aus? In- und ausländische Untersuchungen der letzten Jahre zeigen Resultate mit teils widersprüchlichen Aussagen.  Die Studie «Sozialverträgliche Studiengebühren», im Auftrag der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) erstellt, kommt 2011 zu einem klaren Schluss: «Eine markante Erhöhung  der Studiengebühren ist mit geeigneten flankierenden Massnahmen auf sozialverträgliche Art möglich.» Diese flankierenden Massnahmen aber sind nötig. Laut der Untersuchung ist bereits eine Gebührenerhöhung von 1000 Franken für einige Studierende und deren Familien kritisch. Die Familienbudgets würden stark belastet oder Studentinnen und Studenten durch zusätzliche Nebenerwerbstätigkeit anderweitig beansprucht, was den Studienerfolg gefährden könnte.

Eine markante Erhöhung von Studiengebühren müsse deshalb von grundsätzlichen Anpassungen des Gebühren- und Stipendiensystems begleitet werden, heisst es in der EDK-Studie weiter. Das gesamte finanzielle Gefüge gerät in Bewegung. Steigen die Studiengebühren von 1500 auf 2500 Franken pro Jahr, nehmen die Schweizer Hochschulen zwar rund 130 Millionen Franken mehr ein. Gleichzeitig müssten 33 Millionen Franken mehr Stipendien für tiefe Einkommen gesprochen werden. Die Kantone wären unterschiedlich betroffen und würden wohl ihre Mehrausgaben im Stipendienbereich kompensieren, indem sie die interkantonalen Zahlungen an die Hochschulkantone reduzierten.

Auch der Verband der Studierenden an der ETH Zürich glaubt, dass nicht alle einfach so 500 Franken mehr aufbringen können. Gemäss ihren Berechnungen wenden Studentinnen und Studenten 8 bis 24 Prozent des Budgets direkt für das Studium auf. Insgesamt betragen die Studien- und Lebenshaltungskosten, gestützt auf von der ETH Zürich veröffentlichten Zahlen, zwischen 16 000 und 26 000 Franken pro Jahr. Je nach Lehrgang können 800 bis 4800 Franken weitere Kosten für Labormaterial und Exkursionen dazukommen.

Bei markant höheren Studiengebühren braucht es flankierende Massnahmen.

Im Artikel «Studiengebühren und ihre Folgen – ein Überblick zur Forschungslage als Beitrag zur aktuellen politischen Diskussion» kommen Forschende der Hochschule St. Gallen 2013 zum Schluss, dass höhere Gebühren die Zahl der Studierenden senke. Aber auch die Erwartungen ändern sich. Studierende möchten dann eine höhere Ausbildungsqualität und beurteilen die künftigen Erwerbsaussichten besser. Universitäten mit einem guten Ruf und denen hohe Qualität nachgesagt werde, könnten höhere Studiengebühren verlangen als Universitäten mit tieferen Standards, so die Untersuchung. Es drohten aber negative Auswirkungen auf die «soziale und geschlechtliche Durchmischung» der Studierendenschaft.

Heute verlangen die Schweizer Hochschulen durchaus unterschiedliche Studiengebühren. Am günstigsten ist ein Studium in Genf, wo eine Jahresgebühr von 1000 Franken fällig wird. Auch die beiden ETH mit 1160 Franken sind eher günstig. Am andern Ende der Rangliste stehen die Universität St. Gallen (HSG) mit rund 2500 Franken pro Jahr und die Universität Lugano mit 4000 Franken.

Ein Blick über die Landesgrenze zeigt diverse Modelle. Grossbritannien führte Studiengelder erst 1998 ein, kennt heute aber in Europa mit bis zu 9000 Pfund pro Jahr die höchsten Gebühren. Dies hält junge Leute aus unterprivilegierten Familien jedoch nicht von einem Studium ab. Zwischen 2012 und 2017 ist die Zahl der Studierenden aus benachteiligten Gegenden um rund 30 Prozent gestiegen, obwohl in dieser Zeit die Gebühren den Höchststand erreichten. Dafür verlassen viele die Universitäten mit hohen Schulden, die sie über Jahre zurückzahlen müssen.

Studien widersprechen sich

In Deutschland ist das Studium fast überall wieder umsonst. 2006 hatten sieben Bundesländer Gebühren eingeführt und diese bis 2014 nach grossen Protesten wieder abgeschafft. Unter diesen Bundesländern war auch Baden-Württemberg, wo seit dem vergangenen Wintersemester abermals Studiengelder von 1500 Euro  pro Semester erhoben werden – für Neueingeschriebene und für Personen aus Nicht-EU-Ländern. Als Folge ging die Zahl der internationalen Studienanfänger um mehr als 20 Prozent zurück.

Zu den Auswirkungen gibt es verschiedene Aussagen. Forschende des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) denken, dass Studiengebühren wenig nützen, aber auch kaum schaden. Ihr Effekt sei weitaus geringer als erhofft – oder befürchtet. Auf die Einschreibequote haben sie keinen Einfluss, weil steigende Gebühren zumeist von höheren Studienkrediten oder Stipendien begleitet würden. Das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) legte kurz nacheinander zwei Studien vor, die  sich widersprechen. 2011 hiess es, die Gebühren hätten keine Auswirkungen auf die Studierneigung. Drei Jahre später schrieb das WBZ, Studiengebühren schreckten vor allem Berechtigte aus Nicht-Akademiker- Familien ab.

Frankreich kennt seit 2011 keine Studiengebühren mehr. Dafür sind einmal pro Jahr für die Immatrikulation zwischen 200 Franken für den Bachelor und 400 Franken für ein Doktorat zu bezahlen. In Italien beträgt die durchschnittliche Studiengebühr etwa 1000 Franken. Kostenlos ist das Studieren in den nordischen Ländern Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden – mindestens für EU-Bürger und Schweizerinnen und Schweizer. Studierende mit anderer Herkunft bezahlen je nach Studiengang bis zu 16 000 Euro pro Jahr. Auch in den USA kann eine höhere Ausbildung teuer sein und an den renommierten Hochschulen jährlich mehrere 10 000 Dollar betragen.

Im internationalen Vergleich sind die Gebühren in der Schweiz moderat und die Hochschulen hervorragend. An diesem Gesamtbild ändern auch die geplanten Erhöhungen um einige Hundert Franken nichts. Es bleibt die Frage, was die höheren Gebühren den Hochschulen tatsächlich bringen. Von der ETH Zürich liegt eine Antwort vor. Die geplante Erhöhung um 500 Franken pro Jahr bringe Mehreinnahmen im Promillebereich des Gesamtbudgets.

Michael Baumann ist freier Journalist in Zürich.