SPINNENVERHALTEN
Wie Spinnen unter Druck entscheiden
Schwarze Witwen reagieren verschieden auf Artgenossen. Je nachdem, ob der Bauch gerade voll oder leer ist.

Ob sie gerade eine Mahlzeit verdrückt hat oder nicht spielt keine Rolle: ihr Netz verteidigt die Schwarze Witwe in jedem Fall gegen eine Konkurrentin. | Foto: Tom Ratz
Oft bestimmen äussere Umstände, wie sich ein Tier in einer bestimmten Situation verhält: In welcher Verfassung befindet sich ein Individuum? Wird sein Verhalten durch Artgenossen beeinflusst? Der Evolutionsbiologe Tom Ratz von der Universität Zürich hat untersucht, wie solche sozialen und umweltbedingten Faktoren das Verhalten von Schwarzen Witwen beeinflussen. Diese nordamerikanischen Spinnen sind zwar giftig, laut Ratz aber nicht aggressiv. Die Arbeit mit ihnen sei deshalb gut möglich.
Weibliche Schwarze Witwen bauen komplexe Netze – manche Fäden dienen dem Beutefang, andere sichern das Netz gegen Räuber. Ratz liess Schwarze Witwen einzeln in Boxen ihre Netze errichten, gab der einen Hälfte der Tiere aber nur halb so viel Futter wie der anderen. Er verglich zwei Verhalten von hungrigen und gut genährten Spinnen: ihre Angriffslust auf eine mögliche Beute im Netz und die Anzahl Schutzfäden, die sie ins Netz einbauten. Zudem setzte er manchen Versuchsspinnen eine Konkurrentin in die Box.
War eine Konkurrentin anwesend, bauten sämtliche Spinnen mehr Schutzfäden – unabhängig von ihrer Ernährungssituation. «Das Netz ist enorm wertvoll für die Spinne», sagt Tom Ratz. «Sie muss es verteidigen, selbst wenn sie körperlich geschwächt ist.» Anders beim Beute-Test: Gut genährte Exemplare reagierten in Anwesenheit einer Konkurrentin aggressiver auf einen Vibrationsreiz, der ein Fluginsekt im Netz imitierte. Schlecht genährte Spinnen dagegen hielten sich zurück. «Eine Schwarze Witwe kann monatelang ohne Nahrung auskommen», sagt Ratz. «Ist sie geschwächt, könnte es in Anwesenheit einer Konkurrentin die beste Option sein, kein Risiko einzugehen.»
Die unterschiedlichen Verhaltensweisen hätten sich im Lauf der Evolution als vorteilhaft erwiesen, sagt Ratz. Experimente wie seines könnten deshalb Aufschluss darüber geben, welcher evolutive Selektionsfaktor – etwa Konkurrenz oder Ernährungszustand – besonders wichtig ist.