Eizellspenderin in New Delhi. Die Reproduktionsmedzin ist ein Milliardengeschäft, das auf religiöse Befindlichkeiten Rücksicht nehmen muss. | Foto: Jonas Gratzer/LightRocket via Getty Images

Die Anzahl der Reproduktionskliniken in Indien ist seit den 1990er-Jahren stark gestiegen, befeuert durch das Stigma der Kinderlosigkeit und das Aufkommen einer neuen Mittelklasse. Sandra Bärnreuther, Assistenzprofessorin für Ethnologie an der Universität Luzern, analysiert die Interaktionen zwischen Eizellspenderinnen und Mittelspersonen (Brokern). Diese vermitteln die Frauen an Kliniken, indem sie einen moralischen Gewinn versprechen.

Zwischen 2010 und 2017 führte Bärnreuther insgesamt 24 Monate Feldforschung in Delhi durch. Sie beobachtete den Arbeitsalltag in den Kliniken, führte Gespräche und setzte sich mit der Geschichte der Reproduktionsmedizin in Indien auseinander. Ihre Forschung zeigt: Die meisten Eizellspenderinnen sind in prekären Verhältnissen aufgewachsen und in die Hauptstadt migriert. Mit einer Spende für In-vitro-Befruchtungen verdienen sie oft gleich viel wie eine Arbeiterin in mehreren Monaten. Trotzdem hegen viele Frauen moralische Bedenken, da Eizellspenden in Indien mit Sexualität, Unreinheit oder sogar Ehebruch assoziiert werden.

«Broker stellen bewusst Mehrdeutigkeiten her, um moralische Bedenken abzufangen.»Sandra Bärnreuther

«Broker sind wichtig bei der Vermittlung dieser Transaktionen, indem sie bewusst Mehrdeutigkeiten herstellen, um moralische Bedenken abzufangen», erklärt die Forscherin. Dabei machen sie sich den Hindi-Begriff «dān» (Spende) zunutze, der die Praxis als verdienstvoll erscheinen lässt. Die Mittelspersonen flechten den moralisch-religiös aufgeladenen Begriff in Gespräche ein und verwenden ihn in Zeitschriftenanzeigen.

S. Bärnreuther: Traders of gametes, brokers of values: Mediating commercial gamete donations in Delhi. Economy and Society (2020)