Auf dem Friedhof von Elm liegen Menschen mit und ohne Nachkommen. | Bild: Erik Postma

Ein natürliches Ziel jedes Lebewesens ist es, das eigene Erbgut weiterzugeben. Eine Studie hat nun untersucht, wie man den genetischen Erfolg einzelner Individuen vorhersagen kann. Anhand von Stammbäumen der Glarner Dörfer Linthal und Elm haben die Forschenden herausgefunden, dass die Anzahl direkter Nachkommen einen zuverlässigen Anhaltspunkt liefert.

Basis der Studie bildete die detaillierte Genealogie, die Johann Jakob Kubly-Müller über die Glarner Bevölkerung verfasst hat. «Das Werk ist eine einzigartige Datenbank, um reproduktive Fitness an unserer Spezies im zentraleuropäischen Kontext zu erforschen », sagt Evolutionsbiologe Erik Postma von der britischen Universität Exeter, der die Analyse mitbetreut hat.

«Interessanterweise spielt es für den Erfolg im zukünftigen Genpool nur eine minimale Rolle, ob Nachwuchs bis zum Reproduktionsalter überlebt.» Erik Postma

Der Erstautor Euan A. Young schätzte den individuellen genetischen Beitrag von 3475 Menschen, die zwischen 1575 und 1735 geboren wurden, anhand von vier Indikatoren: Lebensdauer, Anzahl Kinder, Anzahl Kinder, die bis ins Erwachsenenalter überlebt hatten, und Anzahl Enkelkinder. Diese Vorhersagen verglich er mit den gemäss Stammbaum tatsächlichen bis 1990 vererbten Anteilen der Gene – rund zehn Generationen später. Seine Ergebnisse zeigen, dass die Zahl der Enkelkinder am zuverlässigsten den längerfristigen genetischen Erfolg voraussagt.

Doch auch die Anzahl Kinder – meist einfacher zu ermitteln – liefert eine zufriedenstellende Annäherung. Fast ein Drittel der Unterschiede in der Vererbung liess sich damit erklären. Zu den restlichen Variationen könnten Migrationsbewegungen beigetragen haben. «Interessanterweise spielt es für den Erfolg im zukünftigen Genpool nur eine minimale Rolle, ob Nachwuchs bis zum Reproduktionsalter überlebt », sagt Postma. «Denn oft haben die Familien nach einem Todesfall ein weiteres Kind, um den Verlust auszugleichen.»

Anhand der Daten liess sich zudem die überraschend hohe Aussterberate einzelner Abstammungslinien berechnen: Fast drei Viertel der untersuchten Individuen hatten 1990 in den beiden Dörfern keine Nachkommen mehr.

E.A. Young et al.: The long-lasting legacy of reproduction: lifetime reproductive success shapes expected genetic contributions of humans after 10 generations. Proceedings of the Royal Society B (2023)