Wenn Forschende den Eindruck vermitteln, dass sie ihre eigene Mission verfolgen, geht das Vertrauen der Menschen verloren, sagt Matthias Egger. | Bild: Adrian Moser/SNF

In unserer wissenschaftlichen Laufbahn ist immer wieder Medientraining angesagt. Aufschlussreich ist ein Vergleich der «Top Five Tips for Communicating Science», die 2009 im New Scientist vorgestellt wurden, mit den «Five Rules for Evidence Communication», veröffentlicht im November 2020 in Nature. Die ersten Tipps stammen vom Meeresbiologen, Filmemacher und Autor Randy Olson («Don’t Be Such a Scientist»): Improvisation, Marketing, Dramatisierung, Visualisierung und eine gute Geschichte erzählen.

Sie decken sich mit meinen persönlichen Erfahrungen im Medientraining. Wir sollen als natürliche Menschen rüberkommen. Nicht als langweilige Forschende. Wir sollen uns keine Sorgen machen, wenn wir etwas sagen, das wissenschaftlich nicht 100-prozentig korrekt ist. Unsere Forschung habe interessante Ergebnisse hervorgebracht. Es reiche nicht, diese Ergebnisse einfach zusammenzufassen. Wir sollen sie unter die Leute bringen, mit einfacher Sprache und eingängigen Grafiken.

«Wir müssen antizipieren, wie unsere Aussagen missverstanden oder missbraucht werden könnten.»

Wie David Spiegelhalter, Professor für Public Understanding of Risk an der Universität Cambridge (GB), und seine Kolleginnen und Kollegen betonen, handelt es sich hierbei um bewährte Kommunikationstechniken. Aber sie bergen Gefahren: Während der Covid-19-Pandemie ist dieser Marketingansatz wiederholt gescheitert. Als Reaktion entwickelten Spiegelhalter und sein interdisziplinäres Team fünf Tipps, die sich deutlich von Olsons Tipps unterscheiden: informieren, nicht überreden; Ausgewogenheit bieten, nicht falsche Ausgewogenheit; Unsicherheiten offenlegen; Qualität der Evidenz thematisieren; Fehlinformationen bekämpfen.

Fachwissen, Ehrlichkeit und gute Absichten schaffen das in der Krise nötige Vertrauen. Wenn Forschende den Eindruck vermitteln, dass sie ihre eigene Mission verfolgen, geht das Vertrauen rasch verloren. Dasselbe geschieht, wenn sie Themen, die vielen Menschen wichtig sind, einfach ignorieren. Wir müssen die ganze Geschichte erzählen, auch das, was wir nicht wissen. Viele von uns, ich eingeschlossen, haben das Virus unterschätzt und hätten sich gewünscht, dass wir Unsicherheiten, etwa hinsichtlich des Auftretens neuer Varianten oder der Übertragung durch Aerosole, mehr betont hätten. Schliesslich müssen wir antizipieren, wie unsere Aussagen missverstanden oder missbraucht werden könnten.

Es gibt noch viel zu lernen in Bezug auf die wissenschaftliche Kommunikation in Krisen. Der Artikel von Spiegelhalters Team in Nature ist Pflichtlektüre.