Chancengleichheit in der Wissenschaft sei zentral für einen gesellschaftlichen Wandel. Deswegen fordert Matthias Egger ein klares Bekenntnis dazu.| Bild: Manu Friederich

Kürzlich nahm ich an einer virtuellen Veranstaltung des SNF-Programms Prima-Leadership teil. Prima-Förderbeiträge decken fünf Jahre lang das Einkommen und die Projektkosten ausschliesslich von Forscherinnen. Sie sollen zu einer angemessenen Repräsentation von Frauen in der Wissenschaft führen. Denn Fortschritte vollziehen sich in schmerzhaft zähem Tempo: In den letzten zehn Jahren stieg der Frauenanteil bei den Professuren an Schweizer Hochschulen von 17 auf lediglich 24 Prozent.

Im Chat zum Event fand mit über 300 Beiträgen ein lebhafter Austausch statt. Die Kommentare machten die Herausforderungen für Forscherinnen deutlich.

  • Zum Beispiel widerstreitende Erwartungen an sich selbst:
    «Ich hatte Schuldgefühle als Mutter, wenn ich arbeitete und nicht bei meinem Baby war. Ich hatte Schuldgefühle als Wissenschaftlerin, wenn ich beim Baby war und nicht bei der Arbeit.»Forscherin
  • Das unbefriedigende Betreuungssystem:
    «Wenn man für fünf Tage Kinderbetreuung 3000 Franken bezahlen muss, dann wird natürlich ein Elternteil weniger arbeiten.»Forscherin
  • Diskriminierende Haltungen:
    «Mir wurde gesagt, ich solle mich nicht beschweren, da ich ja keine Kinder habe.»Forscherin
  • Die toxische Kultur in der Wissenschaft:
    «Der unerbittliche Konkurrenzkampf steht in Widerspruch zu wissenschaftlichen Schlüsselwerten wie Kreativität, Sorgfalt und Inklusivität. Damit diese Werte geschützt werden, braucht es Regulierungen.»Forscherin
  • Die Politik des SNF:
    «Wäre es sinnvoll, wenn der SNF Anreize für gutes Verhalten schafft?»Forscherin

Ja, ich denke auch, dass solche Anreize sinnvoll wären. In Grossbritannien wurde das Athena-Swan-Label geschaffen. Es anerkennt höhere Bildungs- und Forschungseinrichtungen, die sich zur Karriereförderung von Frauen verpflichten. Auftrieb erhielt das Programm, als das National Institute for Health Research das Label als Kriterium für die Finanzierung von biomedizinischen Forschungszentren verlangte. Mehrere Evaluationen haben gezeigt, dass das Programm die Chancengleichheit vorantreibt.

In der Schweiz sollten wir uns Gedanken über eine ähnliche Initiative machen. Natürlich können solche Labels ohne breitere institutionelle und gesellschaftliche Veränderungen nur begrenzt etwas bewegen. Doch wir sollten uns alle zur Förderung der Chancengleichheit in der Wissenschaft bekennen. Sie ist zentral für die Rechtfertigung öffentlicher Gelder und – noch wichtiger – für einen gesellschaftlichen Wandel.