Jasagt Katja Rost

Neinsagt Bruno S. Frey
Ich begrüsse die Idee, Wissenschaftspreise an Teams zu verleihen, ganz eindeutig. Die Wissenschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend gewandelt, vor allem im Zuge der Globalisierung und der Digitalisierung. Der «lokale Froschteich», in dem Forschende innerhalb ihrer Peer-Gruppe Berühmtheit erlangten, ist verschwunden. Stattdessen dominiert nun ein Winner – takes – it – all-System, in dem im globalen Wettbewerb nur ganz wenige Forschende wirklich erfolgreich sind.

In dieser neuen Welt spielen Glück und soziale Netzwerke eine entscheidende Rolle. Studien legen nahe, dass sich in der Regel nicht die talentiertesten Forschenden durchsetzen. Dafür gewinnt, wer an einem Thema, in einer Disziplin oder mit einer Methode arbeitet, die dem Zeitgeist entspricht. Wer früh gewisse Anfangserfolge hat, kann diese im Laufe der Zeit stets weiter ausbauen: mit Beiträgen in wichtigen Zeitschriften, mit angesehenen Forschungsstipendien und Preisen, mit Berufungen an renommierte Universitäten.

«Es entstehen Anreize für Fehlverhalten: Viele Betrugsfälle betrafen in letzter Zeit Personen, die besonders gefeiert worden waren und daraufhin den Bezug zur Realität verloren.»

Wenn einzelne Forschende ausgezeichnet werden, sendet dies ein falsches Signal an den Markt. Es erweckt den Eindruck, dass die Prämierten bessere Fähigkeiten besitzen als der Rest der Wissenschaftsgemeinde, was bei den anderen Frustrationen auslösen kann. Als Marktinsider wissen die Gewinnerinnen und Gewinner eigentlich, dass diese Botschaft nicht der Realität entspricht. Doch sie kann dazu führen, dass die Prämierten sich selbst überschätzen und letztlich glauben, dass sie talentierter sind als andere. Ausserdem entstehen Anreize für Fehlverhalten: Viele Betrugsfälle betrafen in letzter Zeit Personen, die besonders gefeiert worden waren und daraufhin den Bezug zur Realität verloren.

In Gruppen wirken solche Fehlsignale weniger stark. Wenn ein Team gewinnt, schwindet die Hybris. Auch die Frustration bei den «Verliererinnen» und «Verlierern» ist weniger gross, weil diese Preise nicht mehr einzelne Personen zu Helden erklären, sondern den Erfolg der Gruppe anerkennen. Natürlich kann ein System, das Gruppen belohnt, auch Nachteile haben. Meiner Meinung nach werden diese aber durch die Vorteile bei Weitem übertroffen.

Katja Rost, Professorin für Soziologie an der Universität Zürich, analysiert die Rolle von Glück und Matthäus-Effekten für den Erfolg.

Die Idee, Wissenschaftspreise für ganze Teams zu verleihen, mag dem Zeitgeist entsprechen, ist aber trotzdem fehl am Platz.

Die Wissensgeschichte zeigt, dass brillante, unorthodoxe Ideen von Einzelpersonen ausgehen. Denken wir nur an Descartes, Malthus oder Einstein. Sie alle waren sich im Allgemeinen bewusst, dass ihr Umfeld auch eine Rolle bei ihren Leistungen spielte. Manchmal kam es auch vor, dass mehrere Personen etwa zur gleichen Zeit dieselbe Idee hatten. Der bekannteste Fall sind Darwin und Wallace. Trotzdem brachten nicht Teams innovative Ideen hervor, sondern Individuen. Deshalb sollten auch Einzelpersonen mit Preisen geehrt werden.

«Werden einzelne Forschende prämiert, hat dies einen starken Anreizeffekt. Diese Leute werden zu Botschaftern für innovative Ideen.»

Wie würden wir ausserdem konkret Preise an Teams verleihen? Wer würde eingeschlossen? Zwei Personen? Fünfzig? Oder sogar hundert? Bei grossen Teams ist unklar, wer was beigetragen hat. Gibt es Trittbrettfahrer? Sind manche Leute aus rein administrativen Gründen im Team? Und andere nur dank ihres Status oder Rangs? Noch schlimmer: Gibt es Mitglieder, die nur dabei sind, weil sie Geld auftreiben konnten – vielleicht, weil sie die richtigen Leute kannten? In solchen Fällen würden wir den Preis nicht für eine wissenschaftliche Entdeckung vergeben, sondern dafür, dass die administrativen und finanziellen Voraussetzungen für die Forschung geschaffen wurden. Das kann wichtig sein, verdient aber keine wissenschaftliche Auszeichnung.

Selbst bei drei- oder vierköpfigen Teams kann unklar sein, wer was geleistet hat. Die meisten all dieser Probleme würden sich bei Gruppen jeder Grösse stellen, wenn auch vielleicht bei kleineren in geringerem Ausmass.

Wenn Preise an grosse Teams gehen, ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis alle Mitglieder ausgezeichnet würden. Das würde den Anreiz für exzellente Leistungen schmälern, ebenso die Freude über die Auszeichnung. Werden hingegen einzelne Forschende prämiert, hat dies einen starken Anreizeffekt. Diese Leute stehen für innovative Ideen und werden zu Vorbildern für die nächste Wissenschaftsgeneration. Gleichzeitig erhalten diejenigen, die leer ausgehen, einen Antrieb, in Zukunft noch mehr zu leisten, weil sie dann selber auf einen Award hoffen können. Mit diesen beiden indirekten Wirkungen fördern wir eine zukunftsorientierte, provokative Wissenschaft.

Bruno S. Frey ist wissenschaftlicher Leiter des CREMA (Center for Research in Economics, Management and the Arts) in Zürich und Autor von Büchern über Ehrungen und Auszeichnungen.

Jasagt Katja Rost

Neinsagt Bruno S. Frey

Ich begrüsse die Idee, Wissenschaftspreise an Teams zu verleihen, ganz eindeutig. Die Wissenschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend gewandelt, vor allem im Zuge der Globalisierung und der Digitalisierung. Der «lokale Froschteich», in dem Forschende innerhalb ihrer Peer-Gruppe Berühmtheit erlangten, ist verschwunden. Stattdessen dominiert nun ein Winner – takes – it – all-System, in dem im globalen Wettbewerb nur ganz wenige Forschende wirklich erfolgreich sind.

In dieser neuen Welt spielen Glück und soziale Netzwerke eine entscheidende Rolle. Studien legen nahe, dass sich in der Regel nicht die talentiertesten Forschenden durchsetzen. Dafür gewinnt, wer an einem Thema, in einer Disziplin oder mit einer Methode arbeitet, die dem Zeitgeist entspricht. Wer früh gewisse Anfangserfolge hat, kann diese im Laufe der Zeit stets weiter ausbauen: mit Beiträgen in wichtigen Zeitschriften, mit angesehenen Forschungsstipendien und Preisen, mit Berufungen an renommierte Universitäten.

«Es entstehen Anreize für Fehlverhalten: Viele Betrugsfälle betrafen in letzter Zeit Personen, die besonders gefeiert worden waren und daraufhin den Bezug zur Realität verloren.»

Wenn einzelne Forschende ausgezeichnet werden, sendet dies ein falsches Signal an den Markt. Es erweckt den Eindruck, dass die Prämierten bessere Fähigkeiten besitzen als der Rest der Wissenschaftsgemeinde, was bei den anderen Frustrationen auslösen kann. Als Marktinsider wissen die Gewinnerinnen und Gewinner eigentlich, dass diese Botschaft nicht der Realität entspricht. Doch sie kann dazu führen, dass die Prämierten sich selbst überschätzen und letztlich glauben, dass sie talentierter sind als andere. Ausserdem entstehen Anreize für Fehlverhalten: Viele Betrugsfälle betrafen in letzter Zeit Personen, die besonders gefeiert worden waren und daraufhin den Bezug zur Realität verloren.

In Gruppen wirken solche Fehlsignale weniger stark. Wenn ein Team gewinnt, schwindet die Hybris. Auch die Frustration bei den «Verliererinnen» und «Verlierern» ist weniger gross, weil diese Preise nicht mehr einzelne Personen zu Helden erklären, sondern den Erfolg der Gruppe anerkennen. Natürlich kann ein System, das Gruppen belohnt, auch Nachteile haben. Meiner Meinung nach werden diese aber durch die Vorteile bei Weitem übertroffen.

Katja Rost, Professorin für Soziologie an der Universität Zürich, analysiert die Rolle von Glück und Matthäus-Effekten für den Erfolg.

Die Idee, Wissenschaftspreise für ganze Teams zu verleihen, mag dem Zeitgeist entsprechen, ist aber trotzdem fehl am Platz.

Die Wissensgeschichte zeigt, dass brillante, unorthodoxe Ideen von Einzelpersonen ausgehen. Denken wir nur an Descartes, Malthus oder Einstein. Sie alle waren sich im Allgemeinen bewusst, dass ihr Umfeld auch eine Rolle bei ihren Leistungen spielte. Manchmal kam es auch vor, dass mehrere Personen etwa zur gleichen Zeit dieselbe Idee hatten. Der bekannteste Fall sind Darwin und Wallace. Trotzdem brachten nicht Teams innovative Ideen hervor, sondern Individuen. Deshalb sollten auch Einzelpersonen mit Preisen geehrt werden.

«Werden einzelne Forschende prämiert, hat dies einen starken Anreizeffekt. Diese Leute werden zu Botschaftern für innovative Ideen.»

Wie würden wir ausserdem konkret Preise an Teams verleihen? Wer würde eingeschlossen? Zwei Personen? Fünfzig? Oder sogar hundert? Bei grossen Teams ist unklar, wer was beigetragen hat. Gibt es Trittbrettfahrer? Sind manche Leute aus rein administrativen Gründen im Team? Und andere nur dank ihres Status oder Rangs? Noch schlimmer: Gibt es Mitglieder, die nur dabei sind, weil sie Geld auftreiben konnten – vielleicht, weil sie die richtigen Leute kannten? In solchen Fällen würden wir den Preis nicht für eine wissenschaftliche Entdeckung vergeben, sondern dafür, dass die administrativen und finanziellen Voraussetzungen für die Forschung geschaffen wurden. Das kann wichtig sein, verdient aber keine wissenschaftliche Auszeichnung.

Selbst bei drei- oder vierköpfigen Teams kann unklar sein, wer was geleistet hat. Die meisten all dieser Probleme würden sich bei Gruppen jeder Grösse stellen, wenn auch vielleicht bei kleineren in geringerem Ausmass.

Wenn Preise an grosse Teams gehen, ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis alle Mitglieder ausgezeichnet würden. Das würde den Anreiz für exzellente Leistungen schmälern, ebenso die Freude über die Auszeichnung. Werden hingegen einzelne Forschende prämiert, hat dies einen starken Anreizeffekt. Diese Leute stehen für innovative Ideen und werden zu Vorbildern für die nächste Wissenschaftsgeneration. Gleichzeitig erhalten diejenigen, die leer ausgehen, einen Antrieb, in Zukunft noch mehr zu leisten, weil sie dann selber auf einen Award hoffen können. Mit diesen beiden indirekten Wirkungen fördern wir eine zukunftsorientierte, provokative Wissenschaft.

Bruno S. Frey ist wissenschaftlicher Leiter des CREMA (Center for Research in Economics, Management and the Arts) in Zürich und Autor von Büchern über Ehrungen und Auszeichnungen.