Bild: Valérie Chételat

Jasagt Mathias Binswanger, Professor für Volkswirtschaftslehre.

Bild: Valérie Chételat

Neinsagt Alexander Repenning, Professor für informatische Bildung.
Bei Forschungsinitiativen wird verbal meist mit der ganz grossen Kelle angerührt. Superlative wie «excellent», «leading» «cutting edge», «disruptive» werden uns um die Ohren geschlagen. Auch der Begriff «Moonshot Initiative» passt da bestens hinein. VPS Healthcare Abu Dhabi hat eine, die Weltbank hat eine, und in der Schweiz erfolgte 2019 der Startschuss für den «KI Moonshot Roundtable», einen Talentund Forschungs-Hub im Bereich der künstlichen Intelligenz. Insbesondere der Wirtschafts- und Forschungsstandort Zürich soll eine Führungsrolle übernehmen.

Um Innovation zu gewährleisten, sollen private und öffentliche Gelder gebündelt werden, damit möglichst grosse Summen zustande kommen. Nach vorherrschender Meinung funktioniert Innovation wie ein Automat: Je mehr Geld man oben reinwirft, umso mehr Innovation kommt unten raus. Schön wäre es! Das kann man nicht mit Geld erzwingen. Mehr Geld führt zwar zu mehr Konferenzen, Strategiepapieren, Untersuchungen, Publikationen oder Prototypen, aber das garantiert keine neuen Lösungen. Nicht überall, wo Innovation draufsteht, ist auch Innovation drin.

Allgemein gilt: Je grossspuriger Innovationen angekündigt werden, umso vorsichtiger sollte man sein. Andreas Hieke, ein deutscher Erfinder, der an einigen Neuerungen aus dem Silicon Valley beteiligt war, sagte kürzlich in einem Interview in der NZZ: «Alle reden von Innovation und Disruption. Das geschieht immer genau dann, wenn Innovation und Disruption nicht mehr wirklich stattfinden.» Eine kluge Beobachtung. Wenn überall Moonshot- Initiativen aus dem Boden schiessen, verkommen diese nicht selten zu Beschäftigungsprogrammen oder PR-Aktionen.

«Mehr Geld führt zwar zu mehr Konferenzen, Untersuchungen, Publikationen oder Prototypen, aber das garantiert keine neuen Lösungen.»

Ein Beispiel dafür ist die «Cancer Moonshot Initiative». Im Jahr 2016 wollte der Biotech- Milliardär Patrick Soon-Shiong den Kampf gegen den Krebs bis 2020 revolutionieren. Mit einer Koalition aus namhaften Unternehmen, Forscherinnen und Ärzten sollte ein wirksamer Impfstoff zur Behandlung von Krebs entwickelt werden. Heute, vier Jahre später, sagen unabhängige medizinische Forschende, dass sie von der Initiative kaum etwas gesehen hätten. Eine Überprüfung der Listen von klinischen Studien, Präsentationen und Medienmitteilungen lässt vermuten, dass die Initiative weit hinter den wichtigsten Zielen zurückblieb.

Damit soll nicht gesagt werden, dass Moonshot-Initiativen nutzlos sind. Man kann damit durchaus wichtige Forschungsimpulse liefern. Und es ergibt Sinn, in bestimmten Bereichen private und öffentliche Mittel zu bündeln. Aber die besonders bei Politikern beliebte Vorstellung, dass mehr Förderung stets zu mehr Innovation führt, erweist sich oft als Trugschluss. Man sollte deshalb genau hinschauen, was tatsächlich hinter einer konkreten Moonshot- Initiative steckt.

Mathias Binswanger ist Professor für Volkswirtschaftslehre und lehrt an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Er ist Autor des Buches «Der Wachstumszwang».

Mit der «Cancer Moonshot Initiative» soll die medizinische Forschung massiv beschleunigt werden. Der amerikanische Vizepräsident Biden meinte 2016 sogar, dass man mit dieser Initiative Fortschritte von zehn Jahren in nur fünf Jahren erreichen könne. Natürlich geht es dabei auch um viel PR. Und das ist ein Risiko. Es kann polarisieren, von neueren Strategien ablenken und zu intellektueller Homogenität führen.

Trotzdem: Moonshot-Initiativen haben das Potenzial, Projekte strategisch zu beschleunigen – auf eine Art und Weise, wie es ausschliesslich mit öffentlichen Forschungsgeldern nur schwierig oder sogar unmöglich wäre. Ohne private Moonshot- Initiativen besteht ein mindestens so grosses Risiko, dass wichtige Ideen in der Entwicklungspipeline stecken bleiben und somit die nötige kritische Masse für praktische Umsetzungen nie entsteht.

Der private «Hyperloop Moonshot» dient beispielsweise nicht nur dazu, Elon Musks potenzielle Kundschaft zu beglücken, sondern kreiert auch konzeptuelle Bausteine, die von anderen Firmen oder öffentlichen Institutionen benutzt werden können. Beispielsweise hat die EPFL an der internationalen «2019 SpaceX Hyperloop Pod Competition» den hervorragenden dritten Platz belegt und dabei auch schon vom publizierten Design profitiert. Open-Source- Designs stehen hier im Gegensatz zu alten Konzepten des geistigen Eigentums wie Patente.

«Ohne private Moonshot-Initiativen besteht ein grosses Risiko, dass wichtige Ideen in der Entwicklungspipeline stecken bleiben.»

Oft verschiebt sich die Grenze zwischen öffentlichem und privatem Interesse mit der Zeit. Der originale Moonshot war äusserst erfolgreich, aber nicht privat. Er hat nicht nur seine Mission erfüllt, sondern auch eine ganze Liste von Kollateralnutzen für Forschung, Materialien und Infrastrukturen geschaffen. Da für die Öffentlichkeit die Kosten für den Space Shuttle zu hoch geworden sind, ist er eingemottet worden. Bemannte Marsshots werden darum vermutlich dereinst privat durchgeführt.

In informatischer Bildung hat zum Beispiel Code.org eine private Moonshot-Initiative lanciert, um allen Kindern dieser Welt Programmieren beizubringen. Schon über 40 Millionen Kinder haben mitgemacht am jährlichen «Hour of Code»- Event, an dem mit Barack Obama sogar erstmals in der Geschichte der USA ein Präsident öffentlich ein Programm geschrieben hat. Natürlich bietet dann Code.org Weiterbildung für Lehrpersonen an – gegen Bezahlung. Doch wenn dafür eine noch nie dagewesene Anzahl von Schülerinnen und Lehrpersonen eine Gelegenheit bekommen hat, sich mit dem Thema Programmieren auseinanderzusetzen, ist das grundsätzlich nicht schlecht. Der gewaltige Werbeaufwand, der nötig ist, um so einen Erfolg zu ermöglichen, ist eben genau ein Aufwand, den man nicht mit Steuergeldern bezahlen möchte.

Alexander Repenning ist Professor für informatische Bildung an der Fachhochschule Nordwestschweiz sowie für Computerwissenschaften an der University of Colorado. Er leitet die Initiative «Scalable Game Design Schweiz».

Bild: Valérie Chételat

Jasagt Mathias Binswanger, Professor für Volkswirtschaftslehre.

Bei Forschungsinitiativen wird verbal meist mit der ganz grossen Kelle angerührt. Superlative wie «excellent», «leading» «cutting edge», «disruptive» werden uns um die Ohren geschlagen. Auch der Begriff «Moonshot Initiative» passt da bestens hinein. VPS Healthcare Abu Dhabi hat eine, die Weltbank hat eine, und in der Schweiz erfolgte 2019 der Startschuss für den «KI Moonshot Roundtable», einen Talentund Forschungs-Hub im Bereich der künstlichen Intelligenz. Insbesondere der Wirtschafts- und Forschungsstandort Zürich soll eine Führungsrolle übernehmen.

Um Innovation zu gewährleisten, sollen private und öffentliche Gelder gebündelt werden, damit möglichst grosse Summen zustande kommen. Nach vorherrschender Meinung funktioniert Innovation wie ein Automat: Je mehr Geld man oben reinwirft, umso mehr Innovation kommt unten raus. Schön wäre es! Das kann man nicht mit Geld erzwingen. Mehr Geld führt zwar zu mehr Konferenzen, Strategiepapieren, Untersuchungen, Publikationen oder Prototypen, aber das garantiert keine neuen Lösungen. Nicht überall, wo Innovation draufsteht, ist auch Innovation drin.

Allgemein gilt: Je grossspuriger Innovationen angekündigt werden, umso vorsichtiger sollte man sein. Andreas Hieke, ein deutscher Erfinder, der an einigen Neuerungen aus dem Silicon Valley beteiligt war, sagte kürzlich in einem Interview in der NZZ: «Alle reden von Innovation und Disruption. Das geschieht immer genau dann, wenn Innovation und Disruption nicht mehr wirklich stattfinden.» Eine kluge Beobachtung. Wenn überall Moonshot- Initiativen aus dem Boden schiessen, verkommen diese nicht selten zu Beschäftigungsprogrammen oder PR-Aktionen.

«Mehr Geld führt zwar zu mehr Konferenzen, Untersuchungen, Publikationen oder Prototypen, aber das garantiert keine neuen Lösungen.»

Ein Beispiel dafür ist die «Cancer Moonshot Initiative». Im Jahr 2016 wollte der Biotech- Milliardär Patrick Soon-Shiong den Kampf gegen den Krebs bis 2020 revolutionieren. Mit einer Koalition aus namhaften Unternehmen, Forscherinnen und Ärzten sollte ein wirksamer Impfstoff zur Behandlung von Krebs entwickelt werden. Heute, vier Jahre später, sagen unabhängige medizinische Forschende, dass sie von der Initiative kaum etwas gesehen hätten. Eine Überprüfung der Listen von klinischen Studien, Präsentationen und Medienmitteilungen lässt vermuten, dass die Initiative weit hinter den wichtigsten Zielen zurückblieb.

Damit soll nicht gesagt werden, dass Moonshot-Initiativen nutzlos sind. Man kann damit durchaus wichtige Forschungsimpulse liefern. Und es ergibt Sinn, in bestimmten Bereichen private und öffentliche Mittel zu bündeln. Aber die besonders bei Politikern beliebte Vorstellung, dass mehr Förderung stets zu mehr Innovation führt, erweist sich oft als Trugschluss. Man sollte deshalb genau hinschauen, was tatsächlich hinter einer konkreten Moonshot- Initiative steckt.

Mathias Binswanger ist Professor für Volkswirtschaftslehre und lehrt an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Er ist Autor des Buches «Der Wachstumszwang».

 


Bild: Valérie Chételat

Neinsagt Alexander Repenning, Professor für informatische Bildung.

Mit der «Cancer Moonshot Initiative» soll die medizinische Forschung massiv beschleunigt werden. Der amerikanische Vizepräsident Biden meinte 2016 sogar, dass man mit dieser Initiative Fortschritte von zehn Jahren in nur fünf Jahren erreichen könne. Natürlich geht es dabei auch um viel PR. Und das ist ein Risiko. Es kann polarisieren, von neueren Strategien ablenken und zu intellektueller Homogenität führen.

Trotzdem: Moonshot-Initiativen haben das Potenzial, Projekte strategisch zu beschleunigen – auf eine Art und Weise, wie es ausschliesslich mit öffentlichen Forschungsgeldern nur schwierig oder sogar unmöglich wäre. Ohne private Moonshot- Initiativen besteht ein mindestens so grosses Risiko, dass wichtige Ideen in der Entwicklungspipeline stecken bleiben und somit die nötige kritische Masse für praktische Umsetzungen nie entsteht.

Der private «Hyperloop Moonshot» dient beispielsweise nicht nur dazu, Elon Musks potenzielle Kundschaft zu beglücken, sondern kreiert auch konzeptuelle Bausteine, die von anderen Firmen oder öffentlichen Institutionen benutzt werden können. Beispielsweise hat die EPFL an der internationalen «2019 SpaceX Hyperloop Pod Competition» den hervorragenden dritten Platz belegt und dabei auch schon vom publizierten Design profitiert. Open-Source- Designs stehen hier im Gegensatz zu alten Konzepten des geistigen Eigentums wie Patente.

«Ohne private Moonshot-Initiativen besteht ein grosses Risiko, dass wichtige Ideen in der Entwicklungspipeline stecken bleiben.»

Oft verschiebt sich die Grenze zwischen öffentlichem und privatem Interesse mit der Zeit. Der originale Moonshot war äusserst erfolgreich, aber nicht privat. Er hat nicht nur seine Mission erfüllt, sondern auch eine ganze Liste von Kollateralnutzen für Forschung, Materialien und Infrastrukturen geschaffen. Da für die Öffentlichkeit die Kosten für den Space Shuttle zu hoch geworden sind, ist er eingemottet worden. Bemannte Marsshots werden darum vermutlich dereinst privat durchgeführt.

In informatischer Bildung hat zum Beispiel Code.org eine private Moonshot-Initiative lanciert, um allen Kindern dieser Welt Programmieren beizubringen. Schon über 40 Millionen Kinder haben mitgemacht am jährlichen «Hour of Code»- Event, an dem mit Barack Obama sogar erstmals in der Geschichte der USA ein Präsident öffentlich ein Programm geschrieben hat. Natürlich bietet dann Code.org Weiterbildung für Lehrpersonen an – gegen Bezahlung. Doch wenn dafür eine noch nie dagewesene Anzahl von Schülerinnen und Lehrpersonen eine Gelegenheit bekommen hat, sich mit dem Thema Programmieren auseinanderzusetzen, ist das grundsätzlich nicht schlecht. Der gewaltige Werbeaufwand, der nötig ist, um so einen Erfolg zu ermöglichen, ist eben genau ein Aufwand, den man nicht mit Steuergeldern bezahlen möchte.

Alexander Repenning ist Professor für informatische Bildung an der Fachhochschule Nordwestschweiz sowie für Computerwissenschaften an der University of Colorado. Er leitet die Initiative «Scalable Game Design Schweiz».