In der Lunge von Patienten mit zystischer Fibrose können Keime zu chronischen Entzündungen führen, weil sie sich im Ruhezustand den Antibiotika entziehen können. | Bild: Keystone/Science Photo Library/Photostock-Israel

Immer öfter entwickeln bakterielle Krankheitserreger durch genetische Anpassungen eine Resistenz gegen bestimmte Wirkstoffe. Aber Bakterien können sich einer Antibiotikabehandlung auch anders entziehen – nämlich, indem sie in eine Art Tiefschlaf verfallen. Denn viele der gängigen Antibiotika stören wichtige Stoffwechselprozesse während der Zellvermehrung. Damit das funktioniert, müssen die Bakterien aktiv sein und sich teilen. Wenn sie sich jedoch in einem Ruhezustand befinden, können ihnen die meisten Antibiotika nichts anhaben.

Bakterien, die so überleben, nennt man antibiotikatolerant. Während bei resistenten Erregern alle gleichermassen gegen bestimmte Antibiotika immun sind, verfällt bei toleranten Bakterien allerdings oftmals nur ein kleiner Teil der Population in Tiefschlaf – die anderen sterben bei einer Medikamentengabe.

Ursache für Therapieversagen

Doch diese wenigen robusten Schläfer mit besonders ausgeprägter Toleranz, sogenannte Persisters, sind für die Klinik bedeutsam. «Sie dürften für viele chronische Infektionen verantwortlich sein, die immer wieder neu aufflammen, obwohl die Antibiotika eigentlich wirken», sagt Annelies Zinkernagel von der Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene am Universitätsspital Zürich. Eine solche Persistenz wird besonders mit Infektionen, die von Biofilmen auf Prothesen ausgehen, in Zusammenhang gebracht.

Das Phänomen ist bereits seit den 1940er-Jahren bekannt, doch erst seit wenigen Jahren lässt es sich genau untersuchen. Denn mikrobiologische Methoden sind darauf ausgerichtet, das Wachstum von Organismen zu charakterisieren – und Persisters zeichnen sich gerade durch die Abwesenheit von Wachstum aus. Nun aber wiesen Zinkernagel und ihr Team in zwei Studien erstmalig nach, dass Persistenz und nicht Resistenz die Behandlung scheitern liess: Die beiden Patienten litten an einem durch Staphylokokken ausgelösten Abszess bzw. an einer Infektion am Herzschrittmacher. Im zweiten Fall musste letztlich das Implantat ersetzt werden.

«Wir vermuten, dass moderate Antibiotikatoleranz ein Vorläufer sowohl von Resistenz als auch von ausgeprägter Persistenz ist.»Urs Jenal

«Dabei beobachteten wir eine Zunahme der Persisters während der antibiotischen Therapie», so Zinkernagel, «und wir stellten fest, dass einige persistente Erreger mit der Zeit auch Resistenzen entwickelten.» Persistenz dürfte also sowohl für sich genommen als auch im Hinblick auf die Bildung von Resistenzen in der klinischen Praxis bedeutend sein. Zu diesem Befund gelangt auch Urs Jenal vom Biozentrum der Universität Basel. Er untersucht Pseudomonas- Bakterien von Patienten mit zystischer Fibrose, die unter chronischen Lungenentzündungen leiden. Die Proben aus dem Unispital Basel zeigen, dass bestimmte Lungenkeime selbst nach langer und wiederholter Antibiotikabehandlung keine Resistenzen, sehr wohl jedoch Persistenz entwickelt hatten. Andere Keime aus der Lunge desselben Patienten wiesen hingegen zunehmend Resistenzen auf.

«Wir vermuten, dass moderate Antibiotikatoleranz ein Vorläufer sowohl von Resistenz als auch von ausgeprägter Persistenz ist und dass beide Strategien den Bakterien während der Therapie Vorteile verschaffen», so Jenal. Überdies weisen Laborexperimente darauf hin, dass eine Antibiotikabehandlung zu rascher Ausbildung von Toleranz führt und diese wiederum die Entwicklung von Resistenzen beschleunigen kann. «Der gleichzeitige Einsatz von zwei unterschiedlichen Antibiotika kann zwar die Resistenzbildung verhindern», sagt Jenal, «doch Toleranz und erhöhte Persistenz entwickeln sich trotzdem.»

Umso wichtiger sei es deshalb, die Mechanismen aufzuklären, mittels derer sich Bakterien in einen Tiefschlaf versetzen. Das könnte neue Ansätze liefern, um betreffende Erreger zu identifizieren und trotz ihres ruhenden Zustandes mit neuartigen Wirkstoffen anzugreifen. Oder um sie gezielt zu wecken – und damit auch gegenüber heute gängigen Antibiotika verwundbar zu machen.