LERNEN

Evolution für Anfänger

Die eigenen Tiere so züchten, dass sie überleben. Niche, das ist Genetik, Vererbung und Evolution. Nicht immer haben die hübschen Kreaturen beste Aussichten. Die Häschen bleiben an der Spucke von eher hässlichen und gemeinen Tieren hängen – der sichere Tod. Also müssen sich die eigenen Tiere schnell weiterentwickeln, um sich gegen Fressfeinde zu wehren, Krankheiten zu überstehen und dem Klimawandel zu trotzen. Wenn man ungeübt ist, gehen die Kreaturen nicht selten zugrunde.

Die Spielenden lernen, welche Eigenschaften vorteilhaft sind und wie man sie besser ausprägen kann. Aus einer Bachelor- und einer Masterarbeit an der Zürcher Hochschule der Künste entwickelte Philomena Schwab ein Spiel, das ihr nun beim Magazin Forbes einen Eintrag in die Liste der 30 einflussreichsten unter 30-jährigen Europäer der Tech-Branche einbrachte.

KLASSIKER

Ein virtueller Bauernhof

Auf einer virtuellen Fläche von zwei mal zwei Kilometern darf man im eigenen Betrieb Bauer spielen. Das heisst: Felder, Ställe und Wald bewirtschaften; säen, düngen und ernten; Schafe, Kühe und Schweine versorgen; Getreide und Tiere verkaufen sowie sein Geld verwalten, Geräte anschaffen und seine Mitarbeiter optimal einsetzen. Bestechend ist die Detailgenauigkeit vor allem der Maschinen. Beim Spielen versinkt man immer mehr in diese ruhige künstliche Welt fern aller politischen Probleme wie Glyphosat und Massentierhaltung.

Alles begann damit, dass sich ein Freund des Spielentwicklers Stefan Geiger von Giants Software für Landwirtschaft interessierte. Er wollte mit einem virtuellen Traktor auf einem Bauernhof herumfahren. Das ist zehn Jahre her. Heute ist der Landwirtschafts-Simulator der Schweizer Hit: Die neue Version 17 verkaufte sich eine Million Mal innerhalb eines Monats.

In dieser Version reagierten die Entwickler auf Wünsche der Fans und führten neben drei Düngestufen die Möglichkeit ein, selbst gebaute Fahrzeuge in die Bauernhofwelt zu integrieren, zum Beispiel einen Zuckerrübenernter.

KOOPERATION

Probleme lösen in 19 Sprachen

Die Aufgabe ist simpel: Man muss unterschiedlich grosse Quader und Zylinder stapeln. Es ist ein spielerisches Labor mit wechselnden Versuchsanordnungen, eine Experimentierwelt, die sich ständig erweitert. Doch man kämpft dabei nicht nur gegen physikalische Phänomene wie Schwerkraft oder tückische Magnetfelder. Dreii hat eine tiefere Botschaft: Es gibt im Spiel nämlich einen Punkt, an dem man als Einzelner nicht mehr weiterkommt. Ein Block ist zu schwer, um ihn allein heben zu können. Man ist auf andere angewiesen. «Die Spieler könnten so unbewusst lernen, dass gegenseitiges Helfen belohnt wird», sagt Christian Etter von der Zürcher Entwicklerfirma Etter Studio. «Wir Menschen müssen ein neues Selbstverständnis entwickeln.»

In 19 Sprachen von Arabisch über Hindi bis zu Schweizerdeutsch können die Spieler Ausdrücke wählen, um miteinander zu kommunizieren. Auch das ist ein Symbol, dass wir Teil einer globalen Identität sind, ohne die lokale Identität zu verlieren. Mit seinen einfachen und klaren Linien ist Dreii vom reduzierten Swiss Design inspiriert.

GAMIFICATION

Fliegen für die eigene Gesundheit

Mit Valedo haben die Entwickler der Zürcher Firma Hocoma eine Spieloberfläche für ihr ambitioniertes Rückentraining entworfen. Die Nutzer sollen bei Laune gehalten werden. Man klebt sich zwei Bewegungssensoren auf Brust und unteren Rücken, startet die Software auf dem Tablet und beginnt sein Training. Die Chips übertragen die Körperposition während einer Übung via Bluetooth auf einen Avatar auf dem Bildschirm. Der niedlich geratene Flugroboter zeigt dabei an, wie gut man die mehr als fünfzig programmierten Übungen ausführt.

Während man einen Canyon durchquert oder durch eine Unterwasserwelt schwimmt und Hindernissen ausweicht, macht der Avatar mit seinen Flügeln alle Bewegungen mit. Je häufiger man trainiert, umso komplexer werden die Übungen. Eine Art Leitstrahl zeigt den Weg, folgt man ihm exakt, erhält man mehr Punkte. Es funktioniert wie ein simples Belohnungssystem. «Das Spiel dient der Motivation», sagt Mike Fuhrmann von Hocoma. Eine gelungene Form von Gamification.

MORAL

Spass als Manager in einer Bank

Wie kann ethisches Verhalten in der Wirtschaft gefördert werden? Das sogenannte Serious Game Ufin funktioniert rein über Dialoge, bei denen der Spieler als Organisationsmanager einer interplanetaren Bank Informationen sammelt. Er soll in einer Filiale nach dem Rechten sehen, in der einiges schiefläuft. Der Spieler muss das Geschehen bewerten: Geschäftszahlen könnten gefälscht sein, Mitarbeiter persönliche Probleme haben, sogar Betrug ist denkbar.

Der Manager ist dabei selbst unter Druck und muss Ergebnisse liefern: Sein Chef möchte einen Bericht mit drei Verbesserungsvorschlägen. Versagt er, droht seine Entlassung. «Das Spielziel ist nicht, möglichst viele Punkte zu sammeln, sondern diesen Bericht abzuliefern», sagt Spiel-Mitentwickler Markus Christen von der Universität Zürich. Auf den Spieler warten zahlreiche moralische Entscheidungen. So wird er verleitet, in der Privatsphäre der Mitarbeiter zu schnüffeln. Nach Spielende folgt eine Rückmeldung aufgrund des Spielverhaltens. «Wir vermuten, dass der Lerneffekt am grössten ist, wenn man das Verhalten im Spiel danach in der realen Welt nachbespricht», sagt Christen.

ABENTEUR

Zaubern in einer virtuellen Welt

Sobald man bei Break a Leg die Virtual-Reality-Brille aufsetzt, findet man sich auf einer Bühne wieder, umringt von seltsamen Gestalten, die man nun mit allerlei Zaubertricks unterhalten soll. Der Spieler wandelt dabei auf den Spuren berühmter Magier wie Harry Houdini. Seine Aufgabe: Er soll den Aliens, die ihn entführt haben, durch sein Zaubern helfen, die mächtigsten Kräfte in der Galaxie zu entfesseln.

Überzeugend ist vor allem die neue Art des interaktiven Geschichtenerzählens, in jeder Ecke der fremden Welt warten neue Herausforderungen. «Spatialstories» nennen die Macher vom Schweizer Start-up Apelab ihre Plattform. Sie sind allesamt Absolventen der Hochschule für Kunst und Design in Genf (HEAD). «Es geht nicht einfach darum, die Bilder in 3D zu verwandeln», sagt Michaël Martin von Apelab. «Der Spieler kann sich aussuchen, wohin er schauen will, das verändert alles.»