Weil nach 100 Jahren niemand mehr lebte, wurden die Riten mit Inschriften überliefert. | Museo Nazionale Terme di Diocleziano, Rom

Wenn heute alle 100 Jahre Gedenkfeiern zelebriert werden, geht dies auf die römische Antike und ihre Vorstellung von Zeit als Abfolge von Jahrhundert zu Jahrhundert zurück. Die Säkularfeiern im alten Rom dauerten mehrere Tage und sollten jeweils einen politischen Neuanfang markieren. Gefeiert wurde prunkvoll und aufwendig: mit Spielen, Orakeln, Gebeten, Opferungen und Prozessionen mit Vertretern von Oberschicht und Kaiserfamilie. Diese Feiern fanden nicht genau alle 100 Jahre statt, sondern meist dann, wenn es den Mächtigen passte, ein neues Jahrhundert zu zelebrieren.

Die rituellen Handlungen zweier Säkularfeiern – eine unter Kaiser Augustus 17 vor Christus und eine unter Septimius Severus 204 nach Christus – sind in fragmentarischen Inschriften beschrieben, die neu erschlossen und gedeutet worden sind. Die Texte waren selbst Teil des Ritus. «Da die römische Religion exakt vorgeschriebene, immer gleiche rituelle Handlungen forderte, musste der Ablauf der Feste jeweils protokollartig festgehalten werden», sagt Projektleiter Thomas Späth, Dozent für Antike Kulturen an der Universität Bern. Denn 100 Jahre waren eine lange Zeit: «Es lebte ja niemand mehr, der Auskunft über die Säkularfeier geben konnte.»

Die Inschrift von 204 hat Bärbel Schnegg, wissenschaftliche Mitarbeiterin, neu entziffert, ergänzt und erstmals übersetzt. Aus den Namenslisten geht hervor, dass bereits Eliten aus Nordafrika und dem nördlichen Italien kultische Funktionen in Rom erfüllten. Einzigartig ist ausserdem, dass auch die Namen von Ehefrauen und Kindern erwähnt sind.

Christoph Dieffenbacher