Anthony Guihur ist ehemaliger Postdoc in Molekularbiologie an der Universität Lausanne und aktuell Leiter Forschung und Entwicklung in einem Biotech-Start-up. | Illustration: Stefan Vecsey

Wir sollten uns vom Märchen verabschieden, dass sich Wissenschaft und Wirtschaft wie Öl und Wasser niemals mischen. Das Festklammern an dieser Binärität ist unzeitgemäss und kurzsichtig. Ironischerweise sind jedoch gerade Institutionen, die für sich in Anspruch nehmen, die künftige Elite hervorzubringen, wie etwa Universitäten und Forschungs-Hubs, selbst mitverantwortlich für die Zementierung dieser Kluft – und ja, auch Doktorierende und Postdocs. Ganz im Sinne der nostalgischen Überzeugung, dass Hochschulen eine heile Welt fernab der angeblich korrupten Einflüsse der Industrie bilden.

Dient das der ganzheitlichen Nachwuchsförderung? Natürlich nicht. Im täglichen wissenschaftlichen Nahkampf erwirbt man nicht nur Kompetenzen durch Publikationen in renommierten Fachzeitschriften oder in Sitzungszimmern. Der Schlüssel, um komplizierte Probleme zu lösen, ist eine universelle Sprache, die in allen Führungsgremien und über Projektdeadlines hinaus gesprochen wird. Schon einmal von kritischer Theorie gehört? Sie bietet aufschlussreiche Einblicke in gesellschaftliche Strukturen.

«Obligatorische Workshops zu übertragbaren Fähigkeiten wie Projekt- oder Finanzmanagement sind kein Luxus, sondern gehören zum Survival Kit.»

Manchmal wird der Nachwuchs vom konservativen Ansatz in der Laufbahnentwicklung ausgebremst. Networking-Events oder Workshops werden oft ausgelassen, fast so, als ob solche Kontakte den akademischen Ruf ruinieren könnten. Aber seit wann sind angereicherte Lebensläufe eine Belastung? Wir sollten den akademischen Eintopf mit einer Prise Realität würzen. Die Karrierewege sind so vielseitig wie ein Schweizer Sackmesser. Obligatorische Workshops zu übertragbaren Fähigkeiten wie Projekt- oder Finanzmanagement sind deshalb kein Luxus, sondern gehören zum Survival Kit.

Ein Beispiel ist der Innovationspark der EPFL, wo akademisches Dogma und wirtschaftlicher Pragmatismus zu einer attraktiven Legierung verschmelzen. Hier können Doktorierende mit Unternehmen auf Tuchfühlung gehen, ohne sich bei ihren Peers unbeliebt zu machen. Ausbildung und Karriere sind nicht mehr Parallelwelten, sondern verbundene Labyrinthe. Das Narrativ, dass man sich für Wissenschaft oder Industrie entscheiden soll, ist längst nicht mehr hilfreich. Denn Forschende generieren nicht nur Wissen, sondern lösen globale Krisen. Dafür müssen alle anpacken – ob mit Handschuhen im Labor oder im Anzug in der Teppichetage.