Marcel Tanner ist Präsident des Verbunds der Akademien der Wissenschaften Schweiz (A+). | Foto: Annette Boutellier

«Wenn wir aufeinander zugehen, entstehen tragfähige Lösungen.» (Simonetta Sommaruga am 7.12.2022)

Gerne knüpfe ich an das Dezemberheft 2022 und an die Abschiedsrede von Bundesrätin Simonetta Sommaruga an. Wir Forschende haben alle während der Pandemie sowie auch in den Klimadiskussionen erlebt, dass wir nicht nur den Dialog verbessern, sondern vor allem im Dschungel der Systeme den Weg voran suchen müssen, damit der sogenannte Übertragungsriemen von Wis-senschaft zu Politik und Gesellschaft funktio-niert.

«Es braucht Partnerschaften auf Augenhöhe.»

Wir benötigen kaum weitere Foren, Sitzungen und Berichte, die Diagnosen stellen. Es fehlen noch ­immer die Case-Management-Strategien. Wir sind gefragt, konkret in unseren Netzwerken mit den Kompetenzzentren Lösungen zu finden, damit die Erkenntnisse aus der Wissenschaft – Wissen und Nichtwissen und damit Handlungs­optionen und Unsicherheit – direkt zu den Entscheidungstragenden gelangen und nicht nur über die vorherrschenden diffusen Kanäle.

Es braucht Partnerschaften auf Augenhöhe. Diese beinhalten das gemeinsame Lernen, wie wir Fragen und Krisen am effizientesten lösen. Kern einer jeden Partnerschaft sind klar definierte Rollen und Verantwortlichkeiten auf allen Ebenen. Partnerschaft bedeutet, was das Eingangszitat uns rät: Nicht nur müssen wir Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen die transdisziplinäre Zusammenarbeit stärken, sondern eben auch aufeinander zugehen, ­damit das Generieren von Evidenz und die daraus resultierenden Handlungsoptionen iterativ und nachhaltig in unserer Gesellschaft ver­wurzelt werden.

« Wir leben in einer Welt und nicht in der ersten, zweiten oder dritten Welt.»

Sicher müssen wir dazu beharrlich sein; mit wissenschaft-licher Strenge, mit Kopf, Herz und Hand und damit auch mit aufrichtiger Demut. Dies lehren die Erfahrungen über Jahrzehnte und beschreibt auch das fruchtbare Klima im Ökosystem von Wissenschaft, Politik und Gesellschaft, das Innovationen und tragfähige Lösungen sichert.

Forschungspartnerschaften im Sinne von «mutual learning for change» und die damit verbundenen iterativen Prozesse auf Augenhöhe mit ­Ländern des globalen Südens haben grosse Erfolge auf dem Gebiet der Bekämpfung der Armutskrankheiten wie Malaria, HIV/Aids oder an­derer vernachlässigter Krankheiten gebracht. Wir tun gut daran, über Systeme und Kulturen hinweg miteinander zu lernen; besonders weil gerade ressourcenschwache Gesellschaften mit grossen sozial politischen Fragilitäten oft effizientere Übertragungswege von Wissenschaft zu Politik und Gesellschaft entwickelten. Wir leben in einer Welt und nicht in der ersten, zweiten oder dritten Welt.