Der Sommerflieder zieht Schmetterlinge an. Seine Blätter bieten den Raupen aber keine Nahrung – mit ein Grund weshalb Schmetterlingspopulationen zurückgehen. | Bild: Keystone/Urs Flüeler

Die Varroamilbe stammt ursprünglich aus Asien, doch der Parasit spielt unterdessen weltweit eine Rolle beim Bienensterben. Auch zahlreiche andere Organismen reisen mit den wachsenden internationalen Handelsströmen und Warenflüssen mit. Einige davon breiten sich aufgrund von fehlenden natürlichen Feinden in ihrer neuen Heimat so stark aus, dass sie für erhebliche wirtschaftliche Verluste sorgen, die menschliche Gesundheit beeinträchtigen oder Umweltschäden anrichten.

«Die Entwicklung geht zu schnell. Wir müssen vorsichtiger sein, weil wir nicht im Vorhinein wissen, welche verschleppten Arten sich als Schädlinge entpuppen», sagt der Ökologe Sven Bacher von der Universität Freiburg. Weil die Globalisierung zunimmt, reichen die bisherigen Bemühungen zur Eindämmung von Verschleppungen immer weniger aus, haben er und 44 internationale Kolleginnen und Kollegen kürzlich in einer gemeinsamen Studie festgestellt.

Andere Prioritäten in Neuseeland und Europa

Für Bacher beweist Neuseeland mit seinem «exzellenten Biosicherheitssystem», dass es prinzipiell möglich ist, den Einfluss von gebietsfremden Arten zu begrenzen. Die dortigen Behörden verbieten die Einfuhr von Arten – und machen nur für nachweislich unschädliche Arten auf der «weissen Liste» eine Ausnahme. In der EU und in der Schweiz ist es genau umgekehrt. Hier hat der freie Handel Vorrang: Die Einfuhr von Arten ist generell erlaubt – und nur für die ausdrücklich unerwünschten Arten auf der schwarzen Liste verboten.

Die Schweizer Behörden arbeiten dabei mit unterschiedlichen Listen, je nachdem, welche Aufgabe im Fokus steht. So führt die Liste des Bundesamts für Umwelt Arten auf, welche die an die hiesigen Bedingungen angepassten Tiere und Pflanzen verdrängen. Zu diesen unerwünschten Arten gehört beispielsweise die Schwarzmeergrundel, die sich in den hiesigen Flüssen rasant vermehrt und den typischen lokalen Fischen den Lebensraum streitig macht. Für das Bundesamt für Landwirtschaft stehen dafür Organismen im Vordergrund, die der Pflanzengesundheit schaden.

Schwarze Listen der EU unvollständig

Gemeinsam ist diesen Listen, dass sie das Resultat einer Reihe von Treffen sind, in denen Expertinnen und Experten aus ganz Europa ihr Wissen ausgetauscht und «in Pionierarbeit zu einem Konsens zusammengetragen» haben, wie Alfred Kläy, Leiter des Fachbereichs Pflanzengesundheit beim Bundesamt für Landwirtschaft, erklärt.

Doch solche historisch gewachsenen Listen zeichnen kein verlässliches Bild der Gefahr, die von der zunehmenden Verschleppung von Organismen ausgeht, wie die Forschenden um Bacher aufgezeigt haben. Sie haben mit einer systematischen Analyse der bisher veröffentlichten Literatur zu Art und Umfang der Auswirkungen die gebietsfremden Arten klassifiziert – und so die 149 bedrohlichsten Arten ausfindig gemacht, deren Ausbreitung vordringlich bekämpft werden müsste.

«Selbst gebietsfremde Arten mit einschneidenden Auswirkungen können offenbar der Wahrnehmung von Experten entgehen.»Sven Bacher

Als sie aber ihre Einteilung mit der schwarzen Liste der EU verglichen, stellten sie fest, dass das amtliche Dokument nur 32 der bedrohlichsten Arten aufführte. Die restlichen 117 Arten – inklusive der Varroamilbe – fehlten. «Selbst gebietsfremde Arten mit einschneidenden Auswirkungen können offenbar der Wahrnehmung von Experten entgehen», halten die Forschenden um Bacher in ihrem Fachartikel fest.

Kläy nimmt die Kritik an den Listen ernst. Das Bundesamt für Landwirtschaft führt seit einigen Jahren vermehrt aufwendige Gefahrenanalysen durch. Beim Pflanzenschutz sei das Kontrollpersonal in den letzten zehn Jahren nahezu verdoppelt worden, doch gleichzeitig seien auch die Importvolumen stark gestiegen. «Wenn die Ressourcen begrenzt sind, muss man Kompromisse eingehen», sagt Kläy. Besserung erhofft er sich vom neuen Pflanzengesundheitsrecht, das seit Anfang 2020 gilt: «Nun können wir erstmals Waren, die ein hohes Risiko für die Pflanzengesundheit aufweisen, einem vorsorglichen Einfuhrverbot unterstellen.»