Ohne maschinelle Beatmung können Frühgeborene nicht überleben, doch leider entzündet sich genau deswegen oft ihr Lungengewebe. | Bild: Keystone/Science Photo Library/Phanie/Voisin

Manchmal beginnt das Leben einfach zu früh. Statt im Mutterleib ausreifen zu können, kommen manche Babys viele Wochen vor dem berechneten Geburtstermin zur Welt. Vor allem die Lungen sind dann noch nicht bereit, tagein, tagaus die Atmung zu übernehmen. «Diese Frühgeborenen sind zunächst arm dran», sagt die Kinderärztin Sophie Yammine im Berner Inselspital. Sie haben kleine Atemwege und zu wenig Lungenbläschen, die zudem leicht kollabieren.

Die Lunge zählt zu jenen Organen, deren Entwicklung besonders spät abgeschlossen ist. Ansätze für Lungenbläschen bilden sich zwischen der 16. und 27. Schwangerschaftswoche, erst ab der 29. Woche ist ein effizienter Gasaustausch möglich. Daher erkrankt etwa ein Drittel der extrem Frühgeborenen – die vor der 28. Woche zur Welt kommen – an einem chronischen Lungenleiden, der sogenannten bronchopulmonalen Dysplasie (BPD). Sie hat viele Ursachen. Vor allem aber wird sie dummerweise genau durch die maschinelle Beatmung der Frühgeborenen mit hoher Sauerstoffkonzentration ausgelöst. «Diese Massnahmen sind oft lebensnotwendig, führen aber zu einer Entzündung im Lungengewebe», so Yammine.

Frühgeborene leiden im höheren Alter vermutlich öfter an Lungenerkrankungen, wie sie sonst Raucher haben.

Was dies für das spätere Leben dieser Kinder bedeutet, hat sie in einer Studie am Inselspital untersucht. Sie sah sich an, wie sich die Lungenfunktion von 86 ehemals frühgeborenen Kindern im Alter von durchschnittlich 9,5 Jahren entwickelt hatte. Das Ergebnis: Im Vergleich zu reifgeborenen Kindern waren die kleinen Atemwege der Frühgeborenen auch in diesem Alter in ihrer Belüftungsfunktion beeinträchtigt. Die Lungenbläschen, in denen der Gasaustausch stattfindet, waren dagegen intakt. Das bestätigte, dass diese sich in den frühen Lebensjahren noch weiter ausbilden. «Immerhin holen Frühgeborene diesen Teil der Entwicklung gut auf», sagt Urs Frey, ärztlicher Direktor des Universitäts- Kinderspitals beider Basel, der an der Studie beteiligt war.

Jetzt läuft eine neue Studie mit den gleichen Kindern an, die mittlerweile zwischen 16 und 20 Jahre alt sind. Erneut wird die Lungenfunktion gemessen, zusätzlich möchte sich Yammine im funktionellen Kernspintomografen vor allem die Durchblutung ansehen: «Sie ist schwer zu erfassen, darum wird sie meist wenig beachtet. Dabei werden die Blutgefässe bei Frühgeborenen in ihrer Entwicklung genauso unterbrochen wie die Lungenstruktur selbst.»

Kortison inhalieren könnte helfen

Es ist bereits bekannt, dass Kinder mit einer BPD später häufiger Infekte bekommen und mehr Spitalaufenthalte haben werden. Auch leiden sie im höheren Alter vermutlich öfter an Lungenerkrankungen, die Mediziner sonst bei langjährigen Rauchern beobachten. Genau können Ärztinnen die langfristigen Folgen aber nicht vorhersagen. Das liegt auch daran, dass sich die Umstände, die die Erkrankung beeinflussen, in den vergangenen Jahren enorm gewandelt haben. Im Gegensatz zu früher können Babys heute schon nach einer Frühgeburt in der 23. oder 24. Schwangerschaftswoche überleben – sie kommen also mit einer besonders unreifen Lunge zur Welt.

Andererseits behandeln Ärzte die Neugeborenen heute schonender als früher. Vor 20 Jahren wurden die Babys oft lange maschinell mit hoher Sauerstoffkonzentration beatmet. Das versuchen Medizinerinnen heute zu vermeiden. Stattdessen geben sie der Schwangeren bei einer drohenden Frühgeburt Kortison, um die Produktion des sogenannten Surfactant zu stimulieren. Diese Substanz, die in der reifen Lunge das Kollabieren der Lungenbläschen verhindert, können Ärzte den Babys zusätzlich auch direkt nach der Geburt in die Luftröhre spritzen.

Weitere Behandlungen werden gerade erprobt: So zeigte eine Studie an über 800 extrem Frühgeborenen unter Leitung von Dirk Bassler, Direktor der Klinik für Neonatologie des Universitätsspitals Zürich, dass die Inhalation eines Kortisonpräparats nach der Geburt die Entstehung der BPD verhindert. Ähnliches gilt laut Bassler womöglich für Injektionen mit Hydrocortison: «Das sollte aber noch in einer gross angelegten internationalen Studie bestätigt werden.» Es muss sichergestellt werden, dass den Kindern nach dem Frühstart geholfen und nicht etwa geschadet wird.