Von hinten und aus grosser Entfernung: Es geht ums Nicht-Zeigen. | Bild: shutterstock.com

Von hinten und aus grosser Entfernung: Es geht ums Nicht-Zeigen. | Bild: shutterstock.com

Böse Eltern zeigen Fotos ihrer Kinder im Internet, gute Eltern teilen gar keine Familienmomente, auch keine schönen. So einfach lässt sich der mediale Diskurs übers Sharenting, das Teilen von Kinderfotos im Internet, laut der Basler Medienwissenschaftlerin Ulla Autenrieth zusammenfassen. Dennoch gibt es sie zuhauf: Mütter und Väter, die etwa auf Facebook Kinderfotos veröffentlichen. Sind sie alle unreflektiert? Ulla Autenrieth hat das Thema untersucht und ist zu einem anderen Schluss gelangt.

Im Rahmen ihrer Studie wurden 52 Eltern junger Kinder befragt. Zudem hat Ulla Autenrieth die auf Facebook geteilten Kinderfotos der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ausgewertet. Die Befragungen ergaben, dass sich die Eltern der Risiken bewusst sind: Die Fotos könnten in die Hände von Pädophilen gelangen. Facebook könnte die Bilder zu Werbezwecken missbrauchen. Der biografische Fussabdruck der Kinder im Internet könnte unvorteilhafte Fotos enthalten. Viele Eltern bilden ihre Kinder deshalb so unkenntlich wie möglich ab, zum Beispiel von hinten oder aus sehr grosser Entfernung.

Ulla Autenrieth nennt diese Praxis Anti- Sharenting. «Fotohistorisch ist das eine interessante Entwicklung», sagt sie. «Im digitalen Zeitalter geht es ums Nicht-Zeigen. Das ist ein Paradigmenwechsel.» Ulla Autenrieth hat herausgefunden, dass Eltern keineswegs unüberlegt Fotos ihrer Kinder in sozialen Netzwerken teilen. «Aber diese Eltern sind stark geprägt vom medialen Diskurs und verspüren grosse Ängste – sogar wenn sie Fotos teilen, auf denen die Kinder nicht zu erkennen sind», sagt sie. Deshalb fordert sie einen differenzierteren Diskurs in der Gesellschaft über das Thema, in dem Eltern nicht pauschal verteufelt werden, sobald sie Familienfotos teilen.