Die Ursachen von Depressionen sind mannigfaltig – die Therapien aber nicht. | ohne Titel, Seite aus einem Zeichenheft mit 18 Seiten, Ölfarbe, Doppelseite 18,5 × 23,5 cm, undatiert, Sammlung Breitenau, Inv. Nr. 105, © Signatur: Staatsarchiv Schaffhausen DJ 39/2432

Die Ursachen von Depressionen sind mannigfaltig – die Therapien aber nicht. | Bild: ohne Titel, Seite aus einem Zeichenheft mit 18 Seiten, Ölfarbe, Doppelseite 18,5 × 23,5 cm, undatiert, Sammlung Breitenau, Inv. Nr. 105, © Signatur: Staatsarchiv Schaffhausen DJ 39/2432

Bei der Harry-Potter-Autorin Joanne K. Rowling war sie die Folge einer gescheiterten Ehe. Bei Bruce Springsteen hatte die schwierige Beziehung zum Vater einen Einfluss. Die Depression hat mannigfaltige Entstehungsgeschichten. Die Behandlung der häufigsten psychischen Erkrankung ist hingegen meist universell: Antidepressiva, Verhaltenstherapie oder eine Kombination aus beidem. Doch wie sehr gleicht ein altgedienter Rockstar einer veganen Autorin?

Die personalisierte Medizin geht von individuellen Charakteristika eines jeden Menschen aus, die für die eine und gegen eine andere Therapieform sprechen. Bei der Depression sind dies etwa Nebenerkrankungen, Lebensstil, genetische Voraussetzungen, das Elternhaus oder Beziehungskrisen. Um die therapeutisch relevanten Charakteristika zu finden, hat ein Forschungsteam von der Universität Zürich ein neues statistisches Verfahren entwickelt, mit dem in grossen, unübersichtlichen Datenmengen die Faktoren gefunden werden können, die die Wirksamkeit einer Therapie beeinflussen.

Neue Auswertung alter Daten

«Unsere Methode ist darauf spezialisiert, eigenständig solche Effektmodifier zu finden », sagt Simon Foster, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Gruppe. Bei klassischen Statistikverfahren ist eine gewisse Vorstellung nötig, welche Faktoren den Therapieerfolg beeinflussen könnten. Sie müssen vor der Analyse gewissermassen von Hand ausgewählt werden. Die neue Methode, sucht sich die Einflussfaktoren selbstständig, mit Hilfe von Machine-Learning-Algorithmen – genannt Random Forest. Das Programm findet so Einflussfaktoren, mit denen man vorher nie gerechnet hätte – auch Kombinationen.

Um die Random-Forest-Methode zu testen, liess Fosters Team die Daten der Studie «Treatment for Adolescents with Depression» durchsuchen. Bereits 2007 hatte die Untersuchung bei über 300 Heranwachsenden mit Depression belegt, dass sie von einer Kombination des Antidepressivums Fluoxetin mit einer kognitiven Verhaltenstherapie insgesamt besser profitieren als von einer der beiden Behandlungsformen allein. Aber würden einzelne Patienten aufgrund besonderer persönlicher Voraussetzungen womöglich doch mit einer alleinigen Verhaltenstherapie besser fahren – etwa weil ihr Körper Fluoxetin nicht verträgt?

Offenbar nicht. Zwar fand Fosters Team mit Hilfe von Random Forest gewisse Schwankungen: So beeinflussten etwa das Alter, das Familieneinkommen, zusätzliche Erkrankungen oder die Dauer der depressiven Episoden die Wirksamkeit der Therapie mal mehr, mal weniger. Dennoch half die Kombination beider Behandlungen allen Patienten am besten. «Aus Sicht der personalisierten Medizin ist das nicht das Resultat, das man sich erhoffen würde», räumt Foster ein.

Explosionsartige Fortschritte möglich

«Die Studie ist ausgesprochen spannend und sehr innovativ», sagt Katharina Schultebraucks, Postdoc an der New York University. Sie arbeitet mit ähnlichen Methoden. «Die personalisierte Medizin hat durch Machine Learning ein grosses Potenzial.» Allerdings benötige man dafür ein neue Art der Studienplanung. Während bislang Gruppen verglichen wurden, die bis auf einen Faktor – mit oder ohne Wirkstoff – möglichst ähnlich gehalten wurden, sei es beim maschinellen Lernen genau andersherum: «Die besten Ergebnisse erzielt man mit einer grossen Anzahl an Daten, die das klinische Phänomen möglichst gut abbilden und genauso heterogen sind wie die klinische Wirklichkeit.»

Maschinelles Lernen biete eine grosse Chance, neue Zusammenhänge unter den Einflussfaktoren der Depression zu erkennen, sagt Schultebraucks und rechnet mit «explosionsartigen Fortschritten». Die Studie sei ein wichtiger Beitrag dafür. Allerdings sei die momentane Datenlage noch «viel zu dünn». Um die kostspieligen, vorausschauenden Studien mit der nötigen Anzahl von Patienten zu ermöglichen, müssten viele Institutionen zusammenarbeiten und Forschungsförderer neue Wege gehen. Erst dann würden wirklich passende Datensätze erzeugt – und eine personalisiertere Medizin könnte Wirklichkeit werden.