Attila, «König» der Hunnen, die für die Römer des 5. Jahrhunderts die Barbaren schlechthin waren. | Bild: wikimedia commons

Die Invasion der Barbaren steht bevor. Das Abendland ist bedroht. AfD-Chef Alexander Gauland verglich die «Völkerwanderung» mit dem Untergang des Römischen Reiches, «als die Barbaren den Limes überrannten». Wenn Terroristen oder muslimische Migranten als barbarische Horden bezeichnet werden, verhindert dies laut Markus Winkler, Professor für neuere deutsche und vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Genf, «jedes Nachdenken über eine eigene Mitverantwortung für Terrorismus und Migration».

Winkler und sein Team haben den Barbarenbegriff vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart analysiert und damit eine Forschungslücke geschlossen. Für das Projekt bezog man Literatur und Literaturkritik, bildende Kunst, Musik und Film in die Reflexion mit ein. Verblüfft hat den Projektleiter vor allem, dass der Sinn des Ausdrucks über all die Epochen konstant geblieben ist: «Bis heute bedeutet barbarisch das, was von Kultur und Zivilisation ausgeschlossen scheint. Es geht allein darum, wen man als Feind ausgrenzen und tendenziell vernichten will.» Die ursprüngliche Bedeutung von «bárbaros» – «fremdsprachig» – ist zwar etwas verblasst, aber die bereits im klassischen Griechenland aufkommenden Bedeutungen «menschliche und göttliche Ordnung verachtend», «wild» und «grausam» gelten bis heute. Wer jemanden Barbar schimpft, der will verletzen, will fremde Sprache als unsinnig disqualifizieren. «Oder sogar auf Tierlaute reduzieren», so Winkler. Der Barbar ist ein effizienter Feindbegriff geblieben und wird durch seine antike Herkunft sogar noch legitimiert, ja geadelt.