Ihr Herz schlägt trotzdem noch für Ötzi – Archäologin Daniela Ruppen arbeitet an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik. | Bild: Valérie Chételat

Daniela Ruppen, was hat Sie am Innenleben des Bundeshauses beeindruckt?

Wie die Kommissionen funktionieren. Besonders fasziniert hat mich damals der Austausch zwischen den Kommissionsmitgliedern und den jeweils anwesenden Bundesräten und Bundesrätinnen, die ihre Geschäfte sozusagen verkaufen wollten. Heute arbeite ich im Aussendepartement und verstehe nun die Arbeit und Dynamik viel besser, die es braucht, bis ein Bundesrat mit Argumenten vor den Kommissionsmitgliedern bestehen kann.

Hat Sie etwas an der Kommissionsarbeit überrascht?

Bei grossen Vorlagen werden die Mehrheiten bereits vor der Kommissionssitzung gemacht. Bei kleineren Geschäften hingegen habe ich persönlich erlebt, wie diese während der Sitzungspausen geschmiedet wurden. Das war Politik hautnah. Überrascht war ich auch, wie Politiker je nach Funktion ihre Rolle ändern und anders auftreten.

Was hat Ihnen die Zeit im Parlament gebracht?

Das Verständnis praktischer Parlamentsarbeit und davon, wie Kommissionen und die Politik funktionieren, hat mir geholfen, meine aktuelle Stelle zu finden.

Archäologie studieren und im Bundeshausarbeiten: Wie haben Sie Ihren eigenen Rollenwechsel erlebt?

Ich hatte keine grosse Mühe damit, vom Forscherslang in den Politikjargon zu wechseln. Schon während des Studiums habe ich in einem kleinen Team die Rezeption der Antike im 18. Jahrhundert erforscht und diese in der Universitätsbibliothek in Basel in einer Ausstellung einem breiten Publikum zugänglich gemacht. Das Eindenken in verschiedene Epochen, Menschen und Vorstellungen habe ich lange geübt.

Wie wird aus einer Oberwalliserin eine klassische Archäologin mit Doktortitel?

Als ich in der Primarschule war, wurde uns der Beruf des Archäologen vorgestellt. Sofort wollten wir alle Archäologinnen werden. Mich hat diese Faszination nie verlassen. In der Mittelschule lernte ich in Privatstunden Altgriechisch. Fürs Studium bin ich nach Basel gegangen. Ich bin meinen Eltern dankbar, dass sie mich in meinem Traum, Archäologie zu studieren, immer aktiv unterstützt haben.

Wie profitieren Sie von Ihrem geisteswissenschaftlichen Studium?

Im Archäologiestudium habe ich mir viel Fachwissen angeeignet, das mich persönlich geprägt hat, jedoch heute für meine tägliche Arbeit nicht sehr wichtig ist. Aber ich kann dank dem geisteswissenschaftlichen Studium grosse Mengen an Informationen verarbeiten, schnell lesen, verstehen und einordnen und ebenso schnell schreiben. Analysen und Synthesen fallen mir leicht, genauso wie das Aufbereiten von Texten für ein spezifisches Publikum.

Möchten Sie nicht wieder auf archäologischen Grabungsstätten arbeiten?

Ich habe grosse Freude an meiner aktuellen Arbeit im Aussendepartement. Auf Bergtouren sehe ich jedoch die schmelzenden Gletscher und die wachsenden Gletschervorfelder: Auf so einem wurde vor einigen Jahren Ötzi gefunden. Da schlägt mein Archäologinnen-Herz höher, und es würde mich natürlich reizen, bei weiteren Entdeckungen dabei sein. Meine berufliche Zukunft liegt aber ausserhalb der Archäologie an der Schnittstelle von Politik und Wissenschaft.

Nach der Hochschule in die Politik
Die Stiftung Wissenschaftliche Politikstipendien ermöglicht Abgängerinnen und Abgängern von Schweizer Hochschulen, die Funktions- und Arbeitsweise der Schweizer Politik kennenzulernen und in Kommissionssekretariaten mitzuarbeiten. Sie sollen ihr Wissen und ihre Erfahrung in der Vermittlung zwischen Politik und Wissenschaft anwenden können. Die Stiftung hat seit 2006 37 Stipendien für 12 bis 15 Monate vergeben. Aufgebaut von den Akademien der Wissenschaften Schweiz mit Unterstützung der Gebert Rüf Stiftung, wird sie heute aus Beiträgen vom Parlament und verschiedener Forschungsorganisationen finanziert.

http://www.politikstipendien.ch/

This Rutishauser ist freischaffender Journalist in Bern.