Bild: Abbey Goldman (Fotomontage)

Jasagt Biohacker David Ishee.

Ich experimentiere auf dem Gebiet der Genetik. Seit Jahren arbeite ich an der Heilung genetischer Krankheiten bei Hunden und an mir selber. Ich habe vorübergehend neue Gene zu einigen meiner Zellen hinzugefügt – als Vorbereitung für etwas Bedeutenderes.

Ich bin Biohacker und verändere Gene in meinem Labor zu Hause. Das erste Experiment wird eine Nachbildung eines klinischen Versuchs von 2008 an der Ohio State University sein, bei dem Patienten mit Muskeldystrophie zusätzliche Kopien des menschlichen Follistatin-Gens erhielten. Dieses bewirkt eine grössere Muskelmasse und weniger Körperfett. In Mäusen erhöht sich die Lebenserwartung um 15 Prozent. Das ist gut belegt. Ich will diese Verbesserung für mich selber. Reiche Medizintouristen können sie für rund eine Million Dollar kaufen. Ich werde keine Million ausgeben müssen.

«Unsere Gene sollen nicht mehr nur ein Zufallsprodukt sein, sondern eine bewusste Wahl.»

Biohacker sind eine lose organisierte weltweite Gemeinschaft, die Methoden wie die Gentechnologie allen Menschen zugänglich machen will. Deshalb verfolgen wir einen Open-Source-Ansatz: Wir teilen alles mit der Welt – Erfolge und Misserfolge. Die Grundidee ist, dass die reinste Forschung und Entwicklung am transparentesten und offensten sein sollte.

Unser Körper, unser Genom, gehört nur uns selber. Niemand kann uns vorschreiben, wie unsere Gene sein sollten. Die Selbstbestimmung über den Körper ist ein grundlegendes Menschenrecht, und das Genom ist vermutlich das Persönlichste, was einem gehören kann. Vielleicht gibt es für die Freiheit des Menschen kein fundamentaleres Recht als das Recht, das zu sein, was man sein möchte, bis hinunter auf die molekulare Ebene.

Dieses Recht lässt sich leicht in Abrede stellen, weil niemand es bisher in Anspruch nehmen konnte. Ich behaupte, dass wir dieses Recht schon immer hatten, nur nicht die Möglichkeit, es zu nutzen. Da uns diese nun durch neue Gentechniken wie CRISPR offensteht, müssen wir uns der Tatsache stellen, dass jede Person das Recht hat, über ihr eigenes Genom zu bestimmen.

Es bestehen Risiken, diese betreffen aber nur mich selbst, weshalb es mir freistehen sollte, sie einzugehen. Und ich bin nicht der Einzige. Viele Leute wollen mit dieser Technologie Veränderungen bei sich selber herbeiführen. Einige haben Erbkrankheiten, und ihre Zeit wird knapp. Weil es keine Behandlung gibt, wollen sie ihre eigenen Helden sein. Andere wollen ihre Gene nach ihren Wünschen gestalten. Alle arbeiten daran, die Techniken zu verbessern und die Technologie anwenderfreundlicher, kostengünstiger und sicherer zu machen.

Der Menschheit eröffnet sich eine neue Chance – mit tiefgreifenden Veränderungen und wunderbaren Zukunftsperspektiven. Ich freue mich auf eine vielfältigere und gesündere Menschheit. Unsere Gene sollen nicht mehr nur ein Zufallsprodukt sein, sondern eine bewusste Wahl. Die Frage war nie, ob die Leute das Recht haben, ihre Gene zu verändern, sondern, weshalb sich jemand das Recht nehmen darf, über die Gene anderer Menschen zu bestimmen. Kurz gesagt: Nun, wo Sie die Wahl haben – welche Gene hätten Sie denn gerne?

David Ishee ist ein Biohacker aus Mississippi (USA) und Inhaber des auf Hundezucht spezialisierten Unternehmens Midgard Mastiffs.

Bild: Manu Friederich

Neinsagt Frank Mathwig von der Nationalen Ethikkommission.

Die Do-it-yourself-Gentherapie (DIY) folgt konsequent den vor einigen Jahren erfolgreich etablierten Direct-to-Consumer-Gentests. Wer privat diagnostizieren darf, soll auch selbst therapieren können. Das Mängelwesen Mensch beschäftigte schon Platon. Der alte Traum, menschliche Unzulänglichkeiten zu überwinden, wurde im grossen Stil in den politisch-eugenischen Programmen der US-amerikanischen Technokraten verfolgt, im Stalinismus und im Nationalsozialismus. Eugenik ist seither verpönt und versteckt sich deshalb unter veränderten politischen Vorzeichen hinter dem Schlagwort «Self-Enhancement». «Eu» bedeutet übersetzt gut. Mit dem Präfix «self» wird also behauptet, dass mit Hilfe von Biotechnologien ein selbstgewähltes «Gutes» angestrebt wird, das in der liberalen Gesellschaft notorisch zur Privatsache erklärt wird und deshalb Eingriffen von aussen entzogen ist.

Die Befreiungsrhetorik moderner Biotechnologien hat schon Michel Foucault als Internalisierung des politisch-ökonomischen Programms permanent steigender Effizienzzumutungen entlarvt. Naiv ist weniger die Sehnsucht nach Verbesserung als die Behauptung, dieser Wunsch sei freiwillig und authentisch. Tatsächlich geht es um eine Art «genetical correctness», die sich an den Entscheidungen in der Präimplantations- und Pränataldiagnostik eindrucksvoll studieren lässt. Auch das subversiv daherkommende Biohacking bietet lediglich die Abenteuervariante – gesundheitspolitisch geförderter – Selbstdisziplinierung.

«Naiv ist weniger die Sehnsucht nach Verbesserung als die Behauptung, dieser Wunsch sei freiwillig und authentisch.»

Das liberal-genetische Credo von der Freiheit zur Selbstmanipulation geht nicht auf. Es kollidiert mit den realen sozialen Verhältnissen, wie die nicht abreissenden Dopingskandale im Sport zeigen. Das Bastel-Ego widerspricht demokratischen Grundsätzen von Gerechtigkeit und Fairness. Das betrifft auch die Frage nach der Kompensation von negativen Folgen der Selbstmanipulation. Diese dem Sozial- und Gesundheitswesen aufzubürden folgt zwar der kapitalistischen Hardcore-Logik, Gewinne zu privatisieren und Verluste zu sozialisieren, ruiniert aber jeden Sozialstaat. Der Hinweis, mit DIY Krankheiten bekämpfen zu können, kann nur diejenigen überzeugen, die jede Form von Solidargemeinschaft bereits für bankrott erklärt haben. Bei der ursprünglichsten Form der Genetik, der Reproduktion, ist ungewiss, ob und wie sich genetische Manipulationen der Eltern auf ihr Kind auswirken wird. Spätestens dabei wird klar, dass das «Selbst» in den Ausdrücken «Selbst-Enhancement» und «Selbst-Manipulation» auf eine fatale Selbsttäuschung hinausläuft.

Ironischerweise tritt die Firma Open Discovery Institute, die Biohackern genetische Werkzeuge liefert, mit dem Kürzel «The Odin» auf, also dem Namen des germanischen Göttervaters, Kriegs- und Totengottes Wotan. «Gott zu spielen» scheitert, auch in der modernen Variante der Demokratisierung göttlicher Fantasien.

Der Theologe und Ethiker Frank Mathwig arbeitet beim Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund und an der Universität Bern. Er ist Mitglied der Nationalen Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin.


Bild: Valérie Chételat

Jameint auch die Bioethikerin Effy Vayena

Menschen machen schon immer Selbstversuche. In allen Zivilisationen haben Einzelpersonen mit Nahrungsmitteln, Heilpflanzen, Lebensweisen und Ritualen experimentiert. Einst war dies fast der einzige Weg, um die Welt entdecken und verstehen zu können. Seit neue Erkenntnisse im professionellen Rahmen erworben werden, finden wissenschaftliche Experimente aufgrund entsprechender Normen in der Regel innerhalb institutioneller Grenzen statt. Aber selbst in solchen Settings machten Forschende Selbstversuche. Die Wissenschaftsgeschichte ist gespickt mit Anekdoten und dokumentierten Fällen von Forschenden, die ihre Ideen, Theorien und Geräte zuerst an sich selber testeten. Insbesondere in der Biomedizin sind faszinierende Beispiele bekannt, unter anderem ein aktuelles von Barry Marshall, der Helicobacter pylori konsumierte, um die Hypothese zu überprüfen, dass diese Bakterien Geschwüre verursachen. Marhsall und seine Kollegen erhielten 2005 für ihre Entdeckungen den Nobelpreis für Physiologie und Medizin.

Natürlich endet nicht jeder Selbstversuch so glamourös. Gewisse Experimente können für die Betroffenen gefährlich sein. Grundsätzlich stehen wir dem Risiko, dass sich jemand selber Schaden zufügen könnte, sehr ablehnend gegenüber, und wir versuchen in vielen Lebensbereichen, dies zu vermeiden. Doch rechtfertigt die Gefahr, dass sich jemand Schaden zufügt, ein Verbot von Selbstversuchen?

«Personen haben das Recht, Risiken einzugehen, solange sie damit nicht gegen das Gesetz verstossen.»

Ein allgemeines Verbot von Selbstversuchen wäre nicht nur ungerechtfertigt, sondern auch kaum durchsetzbar. Einzelpersonen als selbstbestimmte Wesen haben das Recht, Risiken einzugehen, solange sie damit nicht gegen das Gesetz verstossen. Manche riskieren mit Extremsportarten Verletzungen durch allzu belastende Trainings oder sogar tödliche Unfälle. Auch wenn die meisten Leute ein solches Risiko nicht auf sich nehmen würden, gibt uns dies nicht das Recht, allen vorzuschreiben, welcher Grad an Risikobereitschaft zulässig ist - vor allem, wenn ein Experiment einem sinnvollen Zweck dient. Wir setzen auf Sicherheitsnormen, Ausbildungen, Instruktionen und andere Massnahmen, die dazu beitragen, dass Menschen gut informiert darüber entscheiden können, welche Risiken sie eingehen wollen, wenn sie ein plausibles Ziel verfolgen.

Für Einschränkungen der persönlichen Freiheit braucht es gute Gründe. Denkbar ist dies bei ethisch problematischen Selbstversuchen. Beispielsweise, wenn andere durch den Einsatz von Krankheitserregern oder anderweitig gefährdet werden. Normalerweise ist der Zugang zu solchen Erregern jedoch reguliert und kontrolliert, genauso wie für andere gefährliche Produkte. Geräte und Technologien, für die eine Ausbildung und Sicherheitsstandards notwendig sind, unterliegen Vorschriften zum Konsumentenschutz und anderen Mechanismen. Diese bestehenden Verbote zur Vermeidung von Risiken für die Allgemeinheit verunmöglichen bereits heute die meisten bedenklich scheinenden Selbstversuche.

Heute, mit dem einfachen Zugang zu Online-Informationen, der Popularität von Citizen Science, Biohacking und der Entstehung von Bewegungen wie Quantified Self, haben die Leute mehr Möglichkeiten für Selbstversuche. Gemeinschaften von Interessierten, die Selbstexperimente durchführen, diskutieren über Risiken und Nutzen und entwickeln ethische Richtlinien. Wenn Länder regulatorische Massnahmen für Selbstversuche erwägen, sollten sie nicht nur den potenziellen Schaden berücksichtigen, sondern auch den gesellschaftlichen Wert der Selbstversuche – als Ausdruck der Freiheit, legitime Ziele zu verfolgen.

Effy Vayena ist Professorin für biomedizinische Ethik am Institute of Translational Medicine der ETH Zürich.